Wenn das ganze schon mal jemand hier reingesetzt hat, tut es mir leid. Ansonsten dachte ich, ich würde mich mit Drogen ganz gut auskennen, aber ich kenne weder "PICO" noch "CRANK" noch den anderen Stuff. Scheint aus meiner Sicht alles was Ähnliches wie Pep zu sein.
Aus "Der Spiegel" Nr. 43/2002
"Ecstasy ist keine harmlose Durchhalte-Droge für Raver. Die vermeintliche Glückspille kann offenbar, wie ein Fall aus München zeigt, aus friedlichen Menschen brutale Gewalttäter machen.
Er rannte von einem Zimmer ins andere - ziellos, mit irrem Blick, stundenlang. Dann biss er in einen Apfel, warf ihn hin, nagte eine Birne an, wickelte sich zitternd in Decken, stürzte aufs Sofa, auf einen Sessel, lief ins Bad und seifte sich von Kopf bis Fuß mit Rasierschaum ein.
Sein Freund, ein 69-jähriger Rentner, bekam an jenem 13. März Angst um Martin G., 25. Morgens um 5 Uhr nahm G. in seiner Wohnung im 2. Stock des Mietshauses in der Münchner Kapuzinerstraße plötzlich ein scharfes Metallstück und versuchte, sich in die Augen zu schneiden. "Ich hol die Polizei, wenn du nicht aufhörst", schrie der Rentner. Sekunden später stürzte sich G. auf ihn und drückte ihm mit den Daumen beide Augäpfel aus.
G. ließ die Augäpfel fallen, sprang nackt vom Balkon auf die Straße und irrte blutüberströmt durch die Dunkelheit, bis er einem Taxifahrer auffiel. Später, sagt G.s Verteidiger Florian Mangold, habe sich sein Mandant an nichts mehr erinnern können. Nur daran, dass er irgendwann eine Menge Rauschgift konsumiert habe.
G. hatte "Pico" eingeworfen - eine dieser Drogen, auf die DJs und Raver stehen, weil sie ihnen den Push gibt für eine ganze lange Nacht, eine der Drogen, die den Happy People als harmloses Vergnügen gilt. Doch ungefährlich, das zeigt der Fall G., ist der oft als "Ecstasy" titulierte Stoff keineswegs. Anders als die meisten Konsumenten glauben, ist das angebliche Glücksmittel nicht nur Gift für das Gehirn, sondern kann ruhige, friedliche Menschen - ohne dass sie selbst oder ihre Umwelt es vorher merken müssen - offenbar in wahre Monster verwandeln.
Auch bei G. war nichts Besonderes passiert vor jener grauenhaften Nacht in diesem Frühjahr. Keine verbalen Raufereien, kein Streit. Noch nach der Attacke schilderte der erblindete 69-Jährige seinen jüngeren Freund als fürsorglich und nett. Nachbarn sagten aus, der junge Mann habe sich rührend um seinen kränklichen Partner gekümmert. Polizei und Staatsanwaltschaft rätseln bis heute über das Motiv für die brutale Tat.
Martin G. sitzt derweil in Haft und schweigt. Nur seinem Anwalt erzählte er von Pico. Pico ist eine jener synthetischen Drogen, zu denen auch "Ice", "Crystal Speed", "Yaba", "Perlik" und "Crank" gehören und die noch ganz andere exotische Namen tragen. Sie alle firmieren gern unter dem Label "Ecstasy", hinter dem sich in Wirklichkeit Dutzende unterschiedlicher Rauschgifte verbergen, die mal als Pille, mal als Pulver eingenommen oder aufgelöst in Zuckerlösung gespritzt werden.
Pico beispielsweise, ein Methamphetamin, gibt es als weißes Pulver, oft verschnitten mit dem Schmerzmittel Paracetamol, mit Milchzucker oder Coffein. Es schickt die, die es nehmen, auf einen langen Trip. Bis zu 24 Stunden ein Supergefühl, Topform, keinen Hunger, keinen Durst, keinen Schlaf, endloses Gelabere. Manchmal reichen 15 Euro für die Reise ins Glück.
Danach jedoch: der Filmriss. Wenn die Dosierung zu hoch war, beginnen die ersten Sinnestäuschungen, kommen Übelkeit, Zittern, Aggression. Bei G., dem Dauerkonsumenten, wurde es offenbar schlimmer. Vier Tage bevor er seinem Freund die Augen ausdrückte, hatte G. nach eigenen Angaben die letzte Dosis konsumiert - zusammen mit Cannabis, das die Wirkung von Pico erheblich verstärken kann.
Bis zu zwei Wochen, sagen Drogenexperten, können die Nebenwirkungen von Pico in diesem Fall anhalten, vor allem wenn das gefährliche Pulver häufig gesnieft wird. Die Folgen für Psyche und Körper, so Wissenschaftler, seien dabei noch völlig unklar. Immerhin haben Forscher bei Pillen-Konsumenten schon paranoide Wahnvorstellungen bis hin zu Psychosen und extremen Ängsten festgestellt. Auch Blutungen fielen auf.
War es genau das, was G. zu seiner brutalen Tat trieb?
Denn Pico enthält winzige Kristalle oder Splitter, welche die Schleimhäute der Konsumenten aufritzen. Nasenbluten ist die Folge. Seine Stammkunden, sagt Merlin Seidenschwarz von der Münchner Drogenberatung Condrops, bluteten auch aus den Augen, die Sehfähigkeit sei dann gestört. Konnte G. diese Augen nicht mehr ertragen? Oder Augen überhaupt?
Drogenberater wie Seidenschwarz kennen Halluzinationen bei Ecstasy-Konsumenten. Halluzinationen, die zunehmen, die zu Psychosen führen können, zu plötzlicher Gewalt gegen Unbeteiligte, Eltern und Freunde: "Da kann der Trambahnschaffner plötzlich wie ein Vampir aussehen, ausgelöst durch die blutenden Augen."
Die Drogenberater versuchen, ihren Klienten einzutrichtern, dass Pico oder Crystal Speed stark zerkleinert werden müsste, um solche Blutungen zu verhindern. Und sie impfen ihnen ein, eine neue Droge erst vorsichtig zu testen, beim ersten Mal nur eine viertel Pille zu schlucken und dann abzuwarten, was geschieht.
Offenbar vergebens. "Die meisten nehmen gleich drei", sagt Seidenschwarz, häufig zusammen mit Alkohol oder Coffein. Die Wirkung kann verheerend sein. Für den 16-jährigen Michael B. aus dem niedersächsischen Gifhorn beispielsweise war sie sogar tödlich. Fünf grüne Pillen, die ihm als Ecstasy angedreht wurden, hatte er im Juni eingenommen, dann hörte sein Herz auf zu schlagen.
"Kein User weiß, was er eigentlich schluckt. Die Dosierung kann, bei gleichem Aufdruck, von Tablette zu Tablette völlig unterschiedlich sein", sagt der Gifhorner Polizeioberkommissar Uwe Birkholz.
Beratungsstellen und Polizei halten die synthetischen Rauschmittel deshalb mittlerweile für ein Riesenproblem bei der Drogenbekämpfung. Der Markt für synthetische Drogen in der EU, schätzt Europol-Chef Jürgen Storbeck, habe sich in den vergangenen Jahren nicht nur verzehnfacht, sondern verhundertfacht. Obwohl es darüber keine Statistiken gibt, ist Drogenberatern klar: Immer jüngere Konsumenten nehmen immer gewagtere Mixturen.
Die Hersteller der synthetischen Drogen sitzen dabei nach Erkenntnissen der Fahnder hauptsächlich in den Niederlanden. Aber auch die Bundesrepublik hat sich zum Standort für gigantische Drogenküchen entwickelt. So brachte die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) vor wenigen Wochen die Betreiber der beiden größten bisher in Deutschland entdeckten Drogenlabore vor Gericht.
Bei Hoppegarten im Oderland und in Kevelaer (Nordrhein-Westfalen) hatten die Beschuldigten in einer Garage und in einem Bunker so genannte Ecstasy-Küchen eingerichtet. Das im Oderland beschlagnahmte Material hatte einen Marktwert von mehr als sechs Millionen Euro. In Kevelaer sollen Chemikalien für 13 Millionen Ecstasy-Tabletten produziert worden sein.
Betäubungsmittel wie Pico können ihre Zusammensetzung praktisch täglich ändern - je nachdem, ob sie aus Tschechien, Polen oder der Slowakei stammen. Pico ist ebenso variabel wie etwa "Pigs", "Cal", "Fido", "Popeye" oder "Triple Five". "Was da drin ist, kann am Ende nur noch der Chemiker sagen, der den Stoff gemixt hat", so Experte Seidenschwarz. Andreas Czerny, Drogenberater der Münchner Caritas, bekennt, er habe "längst aufgehört darüber nachzudenken, was die Pillen eigentlich enthalten". Der massive Mischkonsum - die gleichzeitige Einnahme von beruhigenden, aufputschenden oder betäubenden Stoffen - sei, so Czerny, die größte Gefahr.
Gegen G. hat die Münchner Staatsanwaltschaft mittlerweile Anklage wegen schwerer Körperverletzung erhoben. Die Verhandlung könnte zu einem Gutachterstreit werden: War der Täter vor dem Drogenkonsum schon gewalttätig oder gar psychisch krank? Haben die Drogen eine Psychose ausgelöst? Oder haben die synthetischen Drogen hier aus einem harmlosen Menschen einen Gewalttäter gemacht?
Wissenschaftliche Daten belegen bislang nur, dass der Konsum der Designerpillen bleibende Gehirnschäden auslösen kann. Doch noch während Mediziner versuchen, die Wirkung gängiger Ecstasy-Substanzen zu erforschen, gelangen aus der internationalen Szene neue Horrormeldungen nach Deutschland: Die Wunderpille "PMA" führt inzwischen immer häufiger zu Todesfällen.
[ 04-11-2002: Beitrag editiert von: vollgeil ]
[ 04-11-2002: Beitrag editiert von: vollgeil ]