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Autor Thema: Mäuse im Delirium
Drei-Hoden-Bob
freak im schritt
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Mäuse im Delirium

Beatrice Lugger

Sucht ist eine eigenständige Krankheit, an der selbst Mäuse leiden können. Forscher suchen nach Medikamenten, die nach einem Entzug die Suchtmechanismen im Hirn überlisten

Jeden Tag eine üppige Auswahl: Alkohol, Wasser, Opiate oder so genanntes d-Amphetamin. Die Mäuse in den Labors von Jochen Wolffgramm von der Freien Universität Berlin konnten sich vier Monate lang nach Herzenslust am reichlich gedeckten Tisch laben. Dann setzten er und sein Team die Nager abrupt auf Entzug. Über ein Jahr später erst tischten sie ihnen wieder die Rauschmittel auf. "Einige Mäuse zeigten ein regelrecht exzessives Verlangen danach", so Wolffgramm. Selbst zugesetzte Bitterstoffe hielten die Trinkspechte nicht vom Konsum ab. Andere Mäuse schlürften dagegen unter diesen Bedingungen nur noch Wasser.

Die trinkfesten Mäuse waren süchtig geworden. Ihre Sucht hielt sogar ein Leben lang an. Das Experiment von Wolffgramm ist eines von vielen, mit denen Forscher Licht in eine der zentralen Fragen der Suchtforschung bringen wollen: Wie entsteht ein Suchtgedächtnis? Weshalb werden die einen süchtig und andere nicht?

Die Droge verspricht Lust und Geborgenheit

So viel ist inzwischen erwiesen: Drogen verursachen nicht nur ein Rausch-, sondern auch ein Wohlgefühl, das das Hirn nahezu unauslöschlich speichert. "Im Drogenrausch werden Kaskaden von Überträgerstoffen im Gehirn freigesetzt, die mit einer Sucht zunächst nichts zu tun haben", sagt Walter Zieglgänsberger vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München gegenüber NetDoktor. Dopamin und Glutamat sind Schlüsselfiguren in diesem Schauspiel und eng verknüpft mit den Lernzentren des Gehirns. Dopamin beispielsweise ist ein Transmitter, der bei Lernenvorgängen eine wichtige Rolle spielt. Immer wenn etwas Lust macht und gut ist, schütten wir Dopamin aus. Gleichzeitig prägt sich das Gehirn diese Situationen ein, die etwas Angenehmes versprechen, sei es im Zusammenhang mit Sex, Eltern oder Freunden. Das System, das dabei angesprochen wird, hat aber noch andere Aufgaben, weshalb Eingriffe besonders schwierig sind. "Dort ist gespeichert, was uns typisch macht", betont Zieglgänsberger. Was aber geschieht, wenn gerade dort gespeichert wird, dass Alkohol oder Heroin gut sind? Viele Forscher sind heute überzeugt: Hier liegt der Ursprung der Sucht.

Zusätzlich intensivieren Drogen Lern- und Speicherprozesse, wie neueste Forschungsergebnisse von Antonello Bonci, Universität von Kalifornien, San Francisco, belegen. Noch eine Woche nach dem Konsum von Kokain beobachteten er und sein Team entsprechende Veränderungen in den Gehirnen von Mäusen. Die Verbindungen zwischen Neuronen waren verstärkt. Dieser als Langzeitpotenzierung bezeichnete Mechanismus gilt als eine der Grundlagen des Lernens und der Gedächtnisbildung. "Du glaubst, du bekommst zwei Stunden Vergnügen, aber für mindestens eine Woche bist du gefährdet, mehr Kokain zu wollen", äußerte Bonci gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Dies könnte erklären, warum bei jahrelang abstinenten Süchtigen der einmalige Konsum der Droge einen Rückfall bewirken kann.

Eine bedeutende Rolle spielt auch der Neurotransmitter Glutamat bei der Aufrechterhaltung einer Sucht, beziehungsweise dem Rückfall in dieselbe, wie amerikanische Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" berichten. Die Wissenschaftler vom Albert Einstein College of Medicine an der Yeshiva Universität, New York, stimulierten den Hippocampus im Gehirn von Ratten mittels elektrischer Ströme, worauf diese süchtig wurden. Die Untersuchung ergab, dass unter Stromeinfluss verstärkt Glutamat ausgeschüttet wurde. In einem weiteren Versuch wurde den Ratten vor der Stimulation ein Glutamatblocker verabreicht. Bei diesen Tieren blieb das suchtähnliche Verhalten aus.

Dem Hirn ein Schnippchen schlagen

Neue Medikamente sollen in den Lern- und Glücksmechanismus des Gehirns eingreifen und so das Verlangen nach der Droge, das ins Hirn eingebrannt ist, in Schach halten. Für Alkohol- und Nikotinsüchtige sind in Europa die ersten solcher Anti-Craving-Mittel auf dem Markt. "Craving" steht für unkontrolliertes, zwanghaftes Verlangen nach der Droge, das selbst nach jahrelanger Abstinenz zum Rückfall führen kann. Solange die Patienten die Arznei schlucken, bleibt der Drang nach der Droge ausgeschaltet. "Es ist für jemanden ein unglaublicher Erfahrungsmoment, unter Hilfe einer Pille zu erfahren: 'Hoppla, ich kann ja aussteigen'", kommentiert Zieglgänsberger.

Bekanntes Beispiel für solche Anti-Carving-Mittel ist die jüngst wegen erheblicher Nebenwirkungen in die Kritik geratene Rauchentwöhnungspille Zyban. Beim Rauchen erhöht sich die Konzentration der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Raucherhirn. Dopamin ist für den Genusseffekt, aber auch für die Sucht verantwortlich. Noradrenalin steigert die Aufmerksamkeit und die Leistungsfähigkeit des Körpers. Der Zyban-Wirkstoff Amfebutamon hält die Konzentration der beiden Botenstoffe im Gehirn konstant und verhindert so im Nikotinentzug das starke Verlangen nach der Zigarette.

Gegen die Alkoholsucht kommen seit einigen Jahren in vielen europäischen Ländern die Wirkstoffe Acamprosat (Campral) und Naltrexon (Revia) zum Einsatz. Naltrexon blockiert die Opiat-Rezeptoren auf den Nervenzellen des Belohnungssystems, Acamprosat beeinflusst vorwiegend den Glutamat-Haushalt im Gehirn. Allerdings sind diese Mittel nicht unproblematisch: Naltrexon wirkt so effektiv auf unser Lust- und Belohnungszentrum, dass den Patienten oft gar nichts mehr Spaß macht. Neben dem Verlangen nach Alkohol geht nicht selten unter anderem das Verlangen nach Sex verloren. Dennoch ist Zieglgänsberger davon sicher, dass spezielle Suchttherpeutika eine große Zukunft haben werden. Der Münchner Psychiater forscht einstweilen intensiv weiter: "Mich interessiert, wie man Dinge wieder vergessen kann, ohne alles auszulöschen."



Redaktion Beatrice Lugger, freie Wissenschaftsjournalistin in München

Quelle: http://www.netdoktor.de


Aus: Hessens charmantestem Sündenpfuhl | Registriert: Jun 2001  |  IP: [logged]
Inkubator
Biohazard
Usernummer # 3755

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tönt einleuchtend... wie gross ist die gefahr einfach nach diesen substanzen süchtig zu werden? kann das gehirn so "einfach" überlistet werden? würden die neuen erfahrungen die alten langfristig überdecken?
Aus: zürich | Registriert: Sep 2001  |  IP: [logged]
Dr. Seek

Usernummer # 4321

 - verfasst      Profil von Dr. Seek   Homepage     Eine neue privateMessage schreiben       Editiere/Lösche Post   Antwort mit Zitat 
Das ist gar keine so schlechte Frage, vergleichbar mit den Kopfschmerzmitteln, die wiederum nach einiger Zeit Kopfschmerzen verursachen können.
Wenn man sich vorstellt, daß man nach irgendwas süchtig ist und es nicht hat, dann ist es bestimmt ohne diese neuen Medikamente nicht mehr auszuhalten. Also ist man wieder süchtig (vielleicht in einem anderen Sinn).

Aus: Augsburg | Registriert: Nov 2001  |  IP: [logged]


 
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