Es gibt auch eine Sonderausgabe des Magazins "Drugstore" über den Geburtstag des LSD .. sehr interessant finde ich das Interview mit einem Kerl, der auf einem Jubiläums Hoffmann "hängengeblieben" ist.www.drugstore-online.info
Hier der Artikel:
60 Jahre LSD
Zwar hat es keinen wissenschaftlichen Charakter, doch wichtig ist es – nicht nur für Psychonauten – allemal: das sechzigjährige Jubiläum einer Substanz, die die menschliche Kultur, das Bewusstsein und letztlich die Welt veränderte: LSD
Dass das LSD in diesem Jahr den 60. Geburtstag feiert, hat im Grunde rein formellen Charakter. Eigentlich wird nicht das LSD 60, sondern das Wissen um dessen Psychoaktivität.
d-Lysergsäure-diäthylamid wurde erstmals schon 1938 von Albert Hofmann in den Sandoz-Laboratorien in Basel hergestellt und 1943 unter der Bezeichnung LSD-25 (Delysid®) publiziert. Lysergsäure-Verbindungen wie das seit 1918 bekannte Ergotamin werden, vereinfacht gesagt, aus Claviceps purpurea, dem Mutterkornpilz, gewonnen.
Ziel der Forschungsarbeit, innerhalb welcher eine Reihe anderer Derivate der Lysergsäure synthetisiert und getestet wurden, war nun die Entwicklung eines Medikamentes, welches als Analeptikum (Kreislauf- und Atmungsstimulans) eingesetzt werden konnte. Bezogen auf den Indikationskatalog maßen die Sandozschen Entscheider dem LSD allerdings nur geringe Bedeutung bei und das Wissen um die Substanz fristete in den folgenden fünf Jahren ein Schattendasein.
„Bei der Prüfung von LSD-25 in der pharmakologischen Abteilung von Sandoz (...) wurde eine starke Wirkung auf die Gebärmutter festgestellt. Sie betrug etwa siebzig Prozent der Aktivität von Ergobasin. Im übrigen war im Untersuchungsbericht vermerkt, dass die Versuchstiere in der Narkose unruhig wurden. Die neue Substanz erweckte aber bei unseren Pharmakologen und Medizinern kein besonderes Interesse; weitere Prüfungen wurden deshalb unterlassen. Die nächsten fünf Jahre blieb es still um die Substanz LSD-25.“
Trotzdem ließ das Pharmakon dem leidenschaftlichen Chemiker Hofmann keine Ruhe, bis er 1943 schließlich, fünf Jahre nach der eigentlichen Entdeckung des LSD, die Substanz ein weiteres Mal herstellte, um sich weiter mit dieser zu befassen. Er verspürte eine seltsame Ahnung, dass Lysergsäure-diäthylamid doch unter Umständen noch einige Geheimnisse für die pharmazeutische Industrie bereithielt. Unbemerkt kam Hofmann mit Spuren der Chemikalie in Berührung und erlebte den ersten, noch leichten LSD-Rausch der Menschheitsgeschichte, welchen er wie folgt in seinem Buch „LSD – Mein Sorgenkind“ beschreibt:
„Vergangenen Freitag, 16. April 1943, musste ich mitten am Nachmittag meine Arbeit im Laboratorium unterbrechen und mich nach Hause begeben, da ich von einer merkwürdigen Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl, befallen wurde. Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nicht unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst angeregte Phantasie kennzeichnete. Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen – das Tageslicht empfand ich als unangenehm grell – drangen ununterbrochen phantastische Bilder von außerdordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein. Nach etwa zwei Stunden verflüchtigte sich dieser Zustand.“
Diese Erfahrung beeindruckte und motivierte Dr. Hofmann in der Art, dass er nicht glauben konnte, dass solcherlei psychische Wirkung von einer so geringen Menge Alkaloid induziert worden sei. So dass er drei Tage später, am 19. April, um 16.20 Uhr den ersten gezielten LSD-Versuch unternahm.
Dieser erstmals vorsätzlich eingenommene LSD-Trip war mit 250 Mikrogramm relativ hoch dosiert – 50 bis 100 Mikrogramm hätten für den Anfang durchaus gereicht (allerdings war bis zu diesem Zeitpunkt keine Substanz bekannt, die in derart geringen Mengen wirksam ist). Dieser Premiere-Trip, auf welchem Hofmann auch die berühmte Fahrrad-Fahrt nach Hause unternahm, versetzte den Wissenschaftler in unglaubliche, ungeahnte innenweltliche Zustände.
„Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen ... Die Substanz, mit der ich hatte experimentieren wollen, hatte mich besiegt. Sie war der Dämon, der höhnisch über meinen Willen triumphierte. Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich. Ich war in eine andere Welt geraten, in andere Räume mit anderer Zeit. Mein Körper erschien mir gefühllos, leblos, fremd. Lag ich im Sterben?“
Andererseits offenbarte der Versuch zu späterer Stunde, als die heftige Wirkung der Substanz nachließ und Albert Hofmann bewusst wurde, dass er weder wahnsinnig würde noch sterben müsste, ganz andere Qualitäten des LSD.
„Der Schrecken wich und machte einem Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit Platz, je mehr normales Fühlen und Denken zurückkehrten und die Gewissheit wuchs, dass ich der Gefahr des Wahnsinns endgültig entronnen war.
Jetzt begann ich allmählich das unerhörte Farben- und Formenspiel zu genießen, das hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig sich verändernd, drangen bunte, phantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und wieder schließend, in Farbfontänen zersprühend, sich neu ordnend und kreuzend, in ständigem Fluss.“
In den folgenden Jahren erfuhr das LSD eine Popularisierung unter Medizinern, Intelektuellen, Künstlern und Psychonauten, wie knapp 50 Jahre zuvor das aus dem Peyotl-Kaktus (Lophophora williamsii) isolierte Meskalin, das ein dem LSD ähnliches Wirkungsspektrum aufweist. Durch Sprachrohre wie Timothy Leary, der keinen Moment ausließ, die Wunderdroge zu propagieren, erlangte LSD alsbald eine öffentliche Aufmerksamkeit wie kein anderes Psychedelikum sonst.
In der Psychotherapie konnten mit dem Lysergsäurederivat gute Erfolge erzielt werden. Unter Einbeziehung des LSD und anderer psychedelischer Drogen wurden gleich zwei Therapiezweige geschaffen: die Psychedelische Therapie nach Abraham Hoffer, die ursprünglich für die Behandlung von Alkoholikern gedacht war, und die auf der Freudschen Psychoanalyse basierende Psycholytische Therapie. Natürlich begeisterten sich schlussfolgernd nicht nur ernsthafte Bewusstseinsforscher und Innenweltreisende mit der Substanz. Auch auf der Straße war das Entheogen jederzeit verfügbar, da vollkommen legal. Von nun an häuften sich die haarsträubenden Storys über LSD-beeinflusste „Hochhaus-Flieger“ – Personen, die (so die Mär) unter LSD-Einfluss glaubten, fliegen zu können und aus dem Fenster oder vom Hausdach in den Tod sprangen. In der Folge wurde Lysergsäure-diäthylamid 1966 in den USA auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt und somit auch für den psychotherapeutischen Gebrauch illegalisiert. Fünf Jahre später geschah dies dann auch in Deutschland. So wie jede repressive Prohibitionsmaßnahme konnte das Verbot die Droge freilich nicht verdrängen, nur in eine andere Ecke schieben. Konnte damals LSD frei verkauft und damit auch erworben werden, so ist der heutige Psychonaut auf Undergroundlabors und den Schwarzmarkt angewiesen und macht sich des Verbrechens des Erforschens des eigenen Bewusstseins schuldig.
Dabei beeinflusste LSD unser aller Leben mehr, als unsere Eltern es glauben. Soziokulturelle Artefakte der LSD-Kultur sind bis heute nicht aus unserem Alltag verschwunden, sie werden einfach nur nicht mehr als solche wahrgenommen. Wenn auf dem Weg zur Arbeit morgens die Byrds oder Beatles aus dem Radio dröhnen und Papa in Erinnerungen schwelgend Turn, turn, turn! oder Yellow Submarine mitsingt, dann weiß er in der Regel nicht mehr, dass er damit dem LSD eine Lobeshymne darbringt. Wenn Mama ihrem Sprössling einen Smilie-Becher für den Kindergarten kauft, ist sie meist nicht in den Wissen, dass sie hier mit dem typischen Acid-Symbol einen Teil der LSD-Kultur der achtziger Jahre in Händen hält – es ist doch so süß …!
LSD beeinflusste und fand Eingang in die Literatur (der Zweig der Science Fiction wäre ohne LSD wohl niemals so entstanden), die bildende Kunst (Klarwein, Giger oder auch Warhol) und die Musik (ohne LSD hätte sich die Pop- und Rockmusik niemals in dieser Weise entwickelt; mit der Psychedelic-Bewegung wurden bestehende Musikstile erweitert und neue kreiert), den Film (The Trip, Easy Rider, Barbarella, Star Trek, Flashback), das Theater (die bis heute gefeierten Musicals Jesus Christ Superstar und Hair sowie die Rockoper Tommy von The Who sind in Bühnenstücke umgesetzte LSD-Erfahrungen), damit die verschiedenen Lifestyle-Wege (Esoterik, New Age und andere spirituelle Strömungen) und nicht zuletzt in die Wissenschaft.
Wer weiß, was uns in Zukunft erwartet? Auf jeden Fall die nächsten sechzig Jahre.
Happy birthday, LSD!
Alle im Text angeführten Zitate aus:
Albert Hofmann: „LSD – Mein Sorgenkind”, Stuttgart 1979/München 1993
[ 16-04-2003: Beitrag editiert von: HandsOnWax ]