Ein interessantes Gerichtsurteil. Wobei ich denke das man bei uns genauso verurteilt werden würde wegen Vaterlandsverrat. Aber trotzdem finde ich es einfach traurig was in unserer "zivilisierten Welt" so abläuft.
(Quelle Junge Welt)»Johnny Talibans« wahres Verbrechen
20 Jahre Haft für einen US-Bürger, der in der falschen Armee stand
In den USA konnte man vor kurzem ein kollektives Seufzen der Erleichterung vernehmen, nachdem sich John Walker Lindh in seinem Gerichtsverfahren in mehreren Punkten der Anklage schuldig bekannt hatte, die sich auf seinen Dienst in der Armee der gestürzten theokratischen Regierung der Taliban in Afghanistan bezogen.
Nach den veröffentlichten Berichten wird das mit der Staatsanwaltschaft ausgehandelte Schuldbekenntnis für den 21jährigen eine 20jährige Haftstrafe in einem Bundesgefängnis zur Folge haben. Die Regierung ist erfreut darüber, und die Verteidiger scheinen mit dem Handel ebenfalls zufrieden zu sein.
Enttäuschung wird wahrscheinlich nur in den Chefetagen der Mediennetzwerke vorherrschen, wo man gehofft hatte, der Lindh-Prozeß würde Einschaltquoten bescheren, wie die Fernsehmacher sie seit den für sie großartigen Tagen des Prozesses gegen O. J. Simpson nicht mehr erlebt hatten.
Wie berichtet wurde, hat Lindh sich schuldig bekannt wegen Unterstützung der Taliban und des Besitzes von Explosivstoffen. Wenn sein Schuldbekenntnis formal rechtskräftig wird, dann ist er damit einer Verurteilung wegen Vorwürfen entronnen, die ihm leicht hätten lebenslänglich einbringen können.
Der Verfasser sieht aber noch einen anderen Anklagepunkt, der gegen den Delinquenten hätte vorgebracht werden können: Lindhs eigentliches Verbrechen ist, daß er in der Armee eines Landes gestanden hat, das vor der US-Regierung in Ungnade gefallen war. Punkt.
Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende Amerikaner, die nach wie vor ihre Freiheit genießen, obwohl sie als Söldner oder Kombattanten im Sold der früheren Regierung Rhodesiens gedient und afrikanische Bürger mit Schußwaffen oder Bomben umgebracht haben, die gegen die rassistische Herrschaft der weißen rhodesischen Minderheitsregierung unter Ian Smith gekämpft haben.
Und wie viele Israelis, die als US-Amerikaner geboren wurden, dienen heute in einer Besatzungsarmee, die auf palästinensischem Boden im Namen einer theokratischen Regierung Menschen mittels Schußwaffen und Bomben tötet?
Offensichtlich ist es kein Verbrechen, wenn man als amerikanischer Bürger in der Armee von Ländern kämpft, die den USA genehm sind. Das US-amerikanische Feingefühl scheint nicht verletzt zu werden, wenn man in imperialistischen, expansionistischen und der weißen Vorherrschaft dienenden Kriegen an der europäischen Peripherie kämpft.
Und dann kommt da so ein Johnny Lindh daher. Ein junger weißer Idealist, der zu einem Glauben übergetreten ist, der den größten Teil seiner Anhängerschaft unter den Menschen der dunkleren, ärmeren dritten Welt hat. Er lernt eine andere Sprache, ändert seinen Namen, läßt sich einen Vollbart wachsen und greift zur Waffe, um die Regierung des Landes zu verteidigen, in dem er sich zu leben entschieden hat. Was ist daran strafbar? Hätte er sein Gewehr wegwerfen und seinen Glauben ablegen sollen, nur weil ein George W. Bush den Krieg erklärt hat? Und wenn Lindh genau das getan hätte, würde er dann heute überhaupt noch leben?
Es sei daran erinnert, daß die Taliban weder das World Trade Center noch das Pentagon angegriffen haben. Gemäß den Berichten US-amerikanischer Stellen ist dafür eine multinationale Gruppe namens Al Qaida verantwortlich.
»Johnny Taliban«, wie ihn die Medien nennen, ist schuldig, weil er die Privilegien abgelehnt hat, die ihm durch seine weiße Haut verliehen wurden. Er ist schuldig, weil er seine Klasse verraten und vom christlichen Glauben zum Islam übergetreten ist. Er ist schuldig, weil er aus dem reichsten Imperium auf diesem Planeten geflüchtet ist und nach spirituellem Trost in den staubigen und rückständigen Elendsgebieten an den Rändern dieses Imperiums gesucht hat. Er ist schuldig, weil er Muslimen mit runzligen Gesichtern in die Augen geschaut und in ihnen Menschen und keine Karikaturen gesehen hat
Er ist schuldig, weil er ein selbstbestimmt denkender und fühlender Mensch ist.
(Übersetzung: Jürgen Heiser)