chris
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Eine faszinierende, vielleicht irgendwie auch schockierende Meldung, die vielleicht sogar diesen eigenen Thread rechtfertigt?
Quelle: spiegel.de
"Das Experiment ist spektakulär, das Ergebnis gespenstisch: Forscher haben erstmals allein aus der Gehirnaktivität Filme rekonstruiert, die Testpersonen zuvor gesehen hatten. Ist das der Durchbruch zum Gedankenlesen?
Die Vorstellung ist faszinierend und bedrohlich zugleich: Maschinen, die in der Lage sind, menschliche Gedanken zu lesen. In Ansätzen ist das bereits möglich. So konnten Forscher anhand von Hirnströmen zumindest rudimentär erfassen, woran Testpersonen gerade dachten - etwa an Worte wie "ja", "nein", "Durst" oder "Hunger".
Jetzt ist Wissenschaftlern ein noch weit spektakulärerer Coup gelungen: Sie haben allein anhand der Hirnaktivität rekonstruiert, welche Bilder Menschen gesehen haben. "Das ist ein großer Sprung hin zu einer Rekonstruktion der inneren Bilderwelt", sagt Jack Gallant von der University of California in Berkeley, in dessen Labor das Experiment stattfand. "Wir öffnen damit ein Fenster in die Filme unseres Geistes."
Die Forscher erfassten zunächst die Aktivität im Sehzentrum von Probanden, während diese sich mehrere Stunden lang Filme ansahen. Dazu nutzten sie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI). Dieses Verfahren zeigt, wo im Gehirn besonders viel Blut fließt. Allerdings hinkt der Blutfluss der eigentlichen Verarbeitung der visuellen Reize im Hirn immer einige Sekunden hinterher. Deshalb galt es zuvor als prinzipiell unmöglich, dynamische Hirnaktivität aus fMRI-Daten herauszulesen.
Deshalb haben die Forscher die Aufnahmen mit einem lernfähigen Modell kombiniert. Für eine fMRI-Aufnahme wird das Gehirn in der Regel in winzige Würfel, sogenannte Voxel, unterteilt. "Wir entwickelten ein Modell für jedes Voxel", sagt Gallants Kollege Shinji Nishimoto. Das Modell beschreibe in einer ersten Stufe die schnellen Reaktionen des visuellen Systems. In einer zweiten Stufe berechne es, wie diese Aktivität den Blutfluss im Hirn verändert. Am Ende habe die Software gewusst, wie die Formen und Bewegungen aus dem Film in jedem einzelnen Würfel in Gehirnaktivität umgewandelt werden.
Computer interpretiert Signale des Gehirns
Danach folgte der eigentliche Test: Die Testpersonen sahen sich neue Filme an, die sich von dem Material des ersten Durchlaufs komplett unterschieden. Allein auf Basis der Daten zur Gehirnaktivität rekonstruierte das Programm die gesehenen Filmszenen. Es griff dazu auf einen Pool aus 18 Millionen Sekunden willkürlich ausgewähltem YouTube-Material zurück und suchte nach Filmszenen, die den zuvor gelernten Hirnaktivitätsmustern am ehesten entsprachen. "Es interpretiert die neuronalen Signale", sagt Nishimoto, Erstautor der Studie, die im Fachblatt "Current Biology" erschienen ist.
Die hundert am besten passenden Szenen verschmolz der Computer am Ende zu verschwommenen, aber bewegten Rekonstruktionen der von den Probanden gesehenen Filmszenen. Es ist ein teils gespenstisch wirkender Einblick in die Innenwelt des Geistes.
Noch sei die Technologie weit davon entfernt, tatsächlich Gedanken lesen zu können, betonen die Forscher. Aber bereits jetzt seien praktische Anwendungen denkbar: So könne ein solches Programm zukünftig Schlaganfallspatienten oder anderen Menschen, die durch eine Krankheit gelähmt sind, bei der Kommunikation mit der Umwelt helfen.
(...)
Link zum ausführlichen Artikel: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,787867,00.html
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