BIZARRES VERBRECHENKannibalismus vor laufender Kamera
In unappetitlichsten Details hat ein 41-jähriger Hesse der Polizei ein Verbrechen gestanden: Der Mann tötete einen Bekannten - angeblich mit dessen Einverständnis -, zerstückelte und verspeiste ihn. Einige Fleischportionen hatte er tiefgefroren.
Kassel - Der Mann aus Rotenburg im Nordosten Hessens habe gestanden, einen 42-Jährigen mit dessen Einwilligung vor laufender Videokamera getötet, zerschnitten und teilweise gegessen zu haben, teilte die Staatsanwaltschaft in Kassel heute mit. Weil es den Straftatbestand Kannibalismus in Deutschland nicht gibt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordverdachts. Der Festgenommene wurde am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt. "Das Geständnis des Mannes muss überprüft werden, das wird eine Weile dauern", sagte Staatsanwalt Hans-Manfred Jung.
Das Opfer war bei der Polizei in Berlin als vermisst gemeldet. Die Tat im Frühjahr 2000 soll auf von beiden Männern geteilten kannibalistischen und homosexuellen Neigungen beruhen. Der 41-Jährige legte ein umfassendes Geständnis ab. Er habe seinem Opfer zunächst mit dessen Zustimmung das Geschlechtsteil abgeschnitten, um es gemeinsam mit ihm zu verzehren. Dann soll er den 42-Jährigen erstochen und in Stücke geschnitten haben. Das Fleisch habe er portionsweise tiefgefroren und später zum Großteil aufgegessen. Den Rest des Leichnams habe er vergraben.
Die Männer sollen sich über eine Kontaktanzeige im Internet kennen gelernt haben. Dem nun Festgenommenen kam die Polizei auf die Spur, weil er erneut eine Anzeige im Internet aufgegeben hatte. Darin suchte er Kontakt zu einem Mann, der bereit wäre, sich von ihm töten und aufessen zu lassen. Bei der daraufhin angesetzten Wohnungsdurchsuchung stießen die Beamten am Dienstag auf tiefgefrorenes Menschenfleisch, Skelettteile und Videoaufnahmen.
In Deutschland machte zum letzten Mal im März 1995 ein Mann als "Menschenfresser" von sich reden: Ein 33-Jähriger, der wegen Raubmords an seinem 81 Jahre alten Lebensgefährten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hatte während seines Prozess behauptet, die Innereien seines Opfers verspeist zu haben. Ob das stimmte, wurde jedoch nie geklärt. Der spektakulärste Fall ereignete sich bereits vor 80 Jahren in Hannover. Der Altwarenhändler Fritz Haarmann ermordete zwischen 1918 und 1924 mindestens 24 junge Männer. Gleichzeitig betrieb er einen gut gehenden Handel mit billigem Fleisch - was für das hartnäckige, wenn auch unbewiesene Gerücht sorgte, Haarmann habe das Fleisch seiner Opfer verkauft.
Quelle: www.spiegel.de
Phänomen Menschenfresser
"Ich esse aber keine Frauen"
Menschenfresser werden gemeinhin in der fernen Südsee vermutet. Doch die Kriminalgeschichte beweist es. Fälle von Kannibalismus hat es auch immer wieder in Europa, den USA und anderen Teilen der Welt gegeben.
Kassel - Karl Denke und Fritz Haarmann gehören zu den bekanntesten Mehrfachmördern in Deutschland zu Beginn des Jahrhunderts. Denke ermordete während des Ersten Weltkrieges 26 Männer und fünf Frauen. Bei ihm wurden Behälter mit gepökeltem Menschenfleisch gefunden. Von 1918 bis 1924 tötete Haarmann mindestens 26 junge Männer in Hannover und trank zum Teil ihr Blut. Möglicherweise hat er sogar mehr als 100 Jugendliche umgebracht. Er wurde im April 1925 geköpft.
Erst im Oktober vergangenen Jahres wurden zwei Männer in der mittelasiatischen Republik Kasachstan zum Tode verurteilt. Sie hatten sieben junge Prostituierte ermordet und die zerstückelten Leichen zu Schaschlik verarbeitet. Das Menschenfleisch aßen sie selbst oder boten es nichts ahnenden Verwandten an.
In der weißrussischen Hauptstadt Minsk nahm die Polizei im Oktober 2001 sechs Menschen fest, weil sie einen Mann getötet und seine Leber gegessen hatten.
In Finnland mussten sich im März 1999 drei junge Männer und eine Frau wegen Kannibalismus und Mordes vor Gericht verantworten: Die Anhänger eines "Satanskults" sollen ein Gruppenmitglied gefoltert, umgebracht und teilweise verzehrt haben.
Einen Monat zuvor hatte die Polizei in Venezuela einen Mann festgenommen, der sich selbst als Kannibalen bezeichnet hatte: "Ich bin seit zwei Jahren Menschenfresser, esse aber keine Frauen, weil sie niemandem etwas antun", erklärte der Mann, dem die Ermordung von mindestens zehn Menschen zur Last gelegt wurde.
Im März 1998 sorgte in Italien der Prozess gegen einen 30-Jährigen für Aufsehen: Der Mann soll seine zweijährige Tochter ermordet und den Leichnam teilweise gegessen haben - jedenfalls warf ihm das die ältere Tochter vor.
In Deutschland machte zum letzten Mal im März 1995 ein Mann als "Menschenfresser" Schlagzeilen: Ein 33-Jähriger, der wegen Raubmords an seinem 81 Jahre alten Lebensgefährten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hatte während des Prozesses behauptet, die Innereien seines Opfers gegessen zu haben. Ob das zutraf, wurde nie geklärt.
Jeffrey L. Dahmer, der "Kannibale von Milwaukee", beging in den USA 17 bestialische Morde. In seiner Wohnung wurden tiefgefrorene, gekochte und verweste Überreste seiner Opfer gefunden. Im Februar 1992 wurde er zu 15 Mal lebenslanger Haft verurteilt. 1994 wurde Dahmer im Gefängnis von einem Mithäftling getötet.
Der Russe Andrej Tschikatilo, ein studierter Philologe, soll 52 brutale Morde vor allem an Frauen und Kindern begangen haben. Die Geschlechtsteile einiger Opfer aß er auf. "Wenn ich Blut sah und den Todeskampf, fühlte ich Befriedigung", hatte er bei seiner Vernehmung ausgesagt. Als "Monster von Rostow" wurde Tschikatilo 1992 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Quelle: www.spiegel.de
Interview zum Kannibalismus-Fall
"Für den Täter die höchste Form sexueller Befriedigung"
Dass ein Täter sein Opfer mit dessen Zustimmung malträtiert, umbringt und dann verspeist, stößt an die Grenzen des Vorstellbaren. Wie es dazu kommen kann, dass Menschen zu Kannibalen werden, erklärte der Psychologe und Leiter der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, Rudolf Egg, gegenüber SPIEGEL ONLINE.
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Beschauliche Idylle in Rotenburg: Hier soll das grausame Verbrechen stattgefunden haben
SPIEGEL ONLINE: Wie kann es sein, dass Menschen solche Grausamkeiten begehen?
Rudolf Egg: So etwas kann in Verbindung mit einer Wahnerkrankung, also beispielsweise mit Schizophrenie, vorkommen: Dass jemand die Vorstellung hat, er isst nicht seinen Nachbarn oder seine Frau, sondern irgendein gefährliches Tier. Das ist dann Ausdruck einer Krankheit. Der Fall, den wir jetzt in Hessen vorgefunden haben, sieht allerdings auf den ersten Blick ganz anders aus. Es geht hier um eine extreme - und auch extrem seltene - Form einer sexuellen Abweichung, einer Störung; früher hat man das Perversion genannt.
SPIEGEL ONLINE: Wie kann es dazu kommen?
Egg: Solche Störungen haben in aller Regel eine sehr lange Geschichte, manchmal reicht das zurück bis in die Kindheit. Stufenweise entwickelt sich die Phantasie bis zu dieser extremen Form fort. Bei dem aktuellen Fall ist es dann leider nicht nur bei der Vorstellung geblieben, so etwas mal machen zu wollen, sondern wurde auch in die Tat umgesetzt.
SPIEGEL ONLINE: Das Opfer soll bereit gewesen sein, sich misshandeln und schlachten zu lassen.
Egg: Das ist das besonders ungewöhnliche an diesem Fall. Natürlich gibt es Menschen, deren Störungsbild so aussieht, dass sie sich selber verletzen, verstümmeln oder gar töten wollen, um einen besonderen, einen letzten Kick zu haben. Aber dass sich Täter und Opfer dieses grausamen Rollenspiels finden, ist vielleicht ein Ergebnis der Kontaktanbahnungsmöglichkeiten über das Internet. So etwas würde über eine Zeitungsanzeige oder ein Gespräch im Bekanntenkreis nicht, oder zumindest nicht so leicht, möglich sein.
SPIEGEL ONLINE: Kann man in so einem Fall überhaupt von einem Opfer sprechen?
Egg: Man muss trotzdem von einem Opfer sprechen, weil man ja zunächst einmal davon ausgeht, dass jeder Mensch sein eigenes Leben als höchstes Gut ansieht. Wenn ein Mensch wünscht, getötet zu werden, dürfte das ein Ausdruck von Krankheit, von Störung sein. Deshalb ist er auch ein Opfer. Und natürlich ist es auch strafbar. Man darf einen Menschen auch dann nicht töten, wenn er einwilligt oder es gar verlangt.
SPIEGEL ONLINE: Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft soll es zu unvorstellbaren Grausamkeiten gekommen sein, der Beschuldigte habe seinem Opfer das Geschlechtsteil abgeschnitten, dann hätten sie es gemeinsam verzehrt, wie kann man so etwas erklären?
DPA
Menschenfresser-Opfer Bernd Jürgen B.: Ausdruck von Störung
Egg: Verstehen im eigentlichen Sinne kann man das nicht. Man muss einfach feststellen, dass es offenbar Menschen gibt, die Lustempfindungen bei Dingen haben, für die andere Personen keinen Zugang hat. So wie man sich auch in die Vorstellungen eines sadistischen Sexualmörders nicht hinein denken kann. Denken Sie an Jürgen Baatsch, dessen höchste Phantasie es war, einmal einem Jungen bei vollem Bewusstsein mit einem Messer den Bauch aufzuschlitzen. Was daran lustvoll sein soll, ist kaum zu begreifen. Aber so ist eben die Erlebniswelt eines sadistisch gestörten Menschen. Und so ist auch die Erlebniswelt eines Kannibalisten nicht wirklich nachvollziehbar. Man muss hinnehmen, es gibt offenbar Menschen, für die ist so eine Tat nicht nur lustvoll, sondern die höchste Form sexueller Befriedigung.
SPIEGEL ONLINE: Es heißt, der Beschuldigte und das Opfer hätten homosexuelle Neigungen gehabt. Wie passt das zusammen?
Egg: Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht Homosexualität als solche in eine gefährliche Ecke stellt, denn es gibt auch eine heterosexuelle Variante des Kannibalismus. Welche Form häufiger ist, lässt sich aber schon deswegen nichts sagen, weil es nur ganz seltene Fälle sind.
SPIEGEL ONLINE: In der Kühltruhe des Beschuldigten wurde Menschenfleisch entdeckt. Wollte er damit den Genuss verlängern?
Egg: Wenn er wirklich Lust dabei empfindet, Teile eines erwachsenen Mannes zu essen, dann kann er das ja nicht an einem Tag machen. Er will ja auch nicht faules Fleisch essen. Mit dem Einfrieren verteilt er den Lustgewinn zeitlich. Er will ihn ja nicht nur töten, er will ihn essen, möglicherweise verbunden mit anderen sexuellen Praktiken. Vielleicht masturbiert er auf das Fleisch oder schaut sich dabei den Film noch einmal an, um sich daran zu ergötzen. Das Essen hat etwas ritualhaftes. Er bezieht das Essen in seine eigenen sexuellen Praktiken mit ein.
SPIEGEL ONLINE: Der Täter soll bereits auf der Suche nach neuen Opfern gewesen sein, und angeblich haben sich mehrere Interessanten auf die Anzeige gemeldet. Haben viele Menschen solche Neigungen?
Egg: Nein. Man weiß ja auch nicht, wie ernst das die Menschen genommen haben, die sich gemeldet haben. Vielleicht haben die sich nur gedacht: 'Was hast denn du für eigenartige Phantasien, ich will dich mal kennen lernen'. Ich kann mir schon vorstellen, dass er mehr Menschen gibt, für die es Teil ihrer sexuellen Phantasien ist, sich so etwas einmal anzuschauen. Ich denke auch, dass nicht wenige Menschen in Deutschland viel Geld bezahlen würden, um den Videofilm anzuschauen, den die Polizei beschlagnahmt hat. Aber das heißt nicht, dass diese Menschen deswegen genauso gefährlich sind und das genauso machen würden. Es zeigt nur, dass es eine große Breite sexueller Phantasien gibt, und eine wenige sind auch bereit, so etwas zu machen.
SPIEGEL ONLINE: Ist es krankhaft, wenn man solche Videofilme anschauen möchte?
Egg: Noch nicht unbedingt. Aber es geht in die Richtung. Die Menschen müssen sich schon fragen, was ihnen daran gefällt. Das fängt ja schon bei dem Konsum kinderpornographischer Darstellungen an, die ja tatsächlich massenhaft verbreitet werden. Und es ist sicherlich so, das viele Menschen, die dass konsumieren, sexuelles Vergnügen dabei empfinden. Nicht alle wollen deswegen Kinder sexuell missbrauchen. Sie trennen immer noch zwischen Phantasie und dem, was sie tatsächlich tun. Aber wenn sie solche Phantasien haben, müssen sich fragen lassen, warum sie denn das tun und was das eigentlich über ihre Person und ihre sexuellen Bedürfnisse aussagt.
Das Interview führte Jule Lutteroth
Quelle: www.spiegel.de
kranke welt...