=== Die Virenjäger Russlands ===Pragmatisch sieht die Moskauerin Antonina Andrejewa einer Prüfung ihres Sohnes entgegen, diewesteuropäische Mütter in blanke Panik versetzen würde. Sie hofft einzig und allein auf ein gutesAbschneiden ihres 14-jährigen Sohnes an einer Schule der modernen Art: Ilja Wassiljews Ziviler Hackerschule. "Mein Junge soll sich ernsthaft mit Computern beschäftigen", sagt sie. "Dima soll die moderne Technik verstehen, um später eine gute Arbeit zu bekommen", erklärt Andrejewa ihre Absichten. Dass Hacker einen zweifelhaften Ruf genießen, stört sie dabei wenig.
=== Der Schlüssel zum Wohlstand ===
"Was die Zeitungen über Hacker schreiben, interessiert mich nicht", sagt die Mutter bestimmt. So denken die meisten Eltern der rund 50 Prüflinge in diesem Jahr. In einem Land, in dem Computer ein durchschnittliches Jahresgehalt kosten, ist eine gute Ausbildung der Schlüssel zu künftigem Wohlstand.
Der 26-jährige Schulgründer Ilja Wassiljew, mit wallendem Haar und Hippiebart, lehrt seit 1996 höhere Programmiersprachen, Computertechnik - und wie man Virenprogramme schreibt und bekämpft. Seine Absolventen sollen als Systemadministratoren später Hackerangriffe abwehren können.
=== Schule will keine Kriminellen züchten ===
Viel wichtiger als die Computerausbildung ist Wassiljew, dass seine Schule keine Kriminellen züchtet. "Ein Hacker verbindet technisches Können mit hohen moralischen Werten", sagt der Autodidakt. Der Virenhippie ist stolz darauf, dass bislang keiner seiner Absolventen straffällig geworden ist. Für einige seiner früheren Weggefährten gilt das nicht. So ist die Hackergruppe "Stealth", die ein ehemaliger Freund Wassiljews um sich schart, schon mehrfach durch aggressive Viren aufgefallen.
=== Geheimdienst fragte an ===
Eine Anfrage des russischen Geheimdienstes zur Zusammenarbeit lehnte Wassiljew ab. "Ein Geheimdienst teilt seine Informationen nicht mit anderen. Das aber ist die wichtigste Hackertugend", begründet er seine Entscheidung. Bei den mittleren Semestern scheint sein Konzept aufzugehen. Maxim Maljakschin (19) ist in der Wassiljew-Schule so weit fortgeschritten, dass er sich um seinen künftigen Arbeitsplatz kaum Gedanken machen muss. "Bald werde ich mir einen Job aussuchen können", sagt er selbstbewusst - und noch bietet der Moskauer Programmierer-Markt ausreichend Stellen für "moralisches" Hacken.
Ob Wassiljews Lehre gegen die Logik des Marktes standhält, bleibt abzuwarten. Zu befürchten steht, dass, sobald die Konkurrenz wächst, auch viele Wassiljew-Absolventen ihr Wissen meistbietend verkaufen. Die heruntergekommene russische Wirtschaft macht Moral zu einem teuren Luxus.