Bundesverfassungsgericht regelt Führerscheinentzug
Von Ursula Knapp
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss die bisherige Praxis stark eingeschränkt werden, gelegentlichen Haschisch-Konsum auch dann mit Führerscheinentzug zu ahnden, wenn es keine Anhaltspunkte für eine Autofahrt unter Drogeneinfluss gibt. Nur bei Verdachtsmomenten für eine Drogenfahrt kann eine Verweigerung des Drogenscreenings den Führerscheinentzug zur Folge haben.
KARLSRUHE, 13. November. Eine mit drei Richtern besetzte Kammer gab jetzt der Verfassungsbeschwerde eines Mannes statt, der auf der Rückfahrt aus den Niederlanden von der Polizei mit fünf Gramm Haschisch im Auto erwischt wurde. Es gab keine Hinweise, dass der Autofahrer unter Drogeneinfluss stand, er war auch in der Vergangenheit nicht aufgefallen. Das Strafverfahren wurde wegen der geringfügigen Menge eingestellt. Einen Monat später erhielt der Betreffende aber die Aufforderung, ein von ihm zu finanzierendes Drogenscreening zu absolvieren. Es bestehe der Verdacht, dass er zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet sei.
Weil er das Drogenscreening verweigerte, entzog ihm die Behörde wie üblich die Fahrerlaubnis. Die Kammer unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier gab seiner Verfassungsbeschwerde dagegen jetzt statt. Aus der Ablehnung des Drogenscreenings könne bei einem einmaligen Haschischfund noch nicht auf die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs geschlossen werden.
In einem zweiten Fall wurde die Verfassungsbeschwerde eines Taxifahrers jedoch abschlägig beschieden. Bei diesem Mann wurden im Aschenbecher des Autos Reste eines Joints gefunden. Hier habe es konkrete Verdachtsmomente gegeben, dass der Mann unter Drogeneinfluss Auto fahre. Dass er das Screening verweigert habe, könne gegen ihn verwendet werden.
Nach Zahlen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel verlieren jährlich 20 000 Menschen in Deutschland die Fahrerlaubnis, weil sie mit Haschisch erwischt wurden. Viele unter ihnen seien in S-Bahnen oder Kneipen kontrolliert worden. Ihnen wurde nach dem Auffinden geringer Mengen von Cannabis ohne Zusammenhang mit einem Verkehrsdelikt der Führerschein entzogen, weil sie das Screening verweigerten.
Mit der jetzigen Entscheidung hat das BVerfG die Rechtslage zum Führerscheinentzug bei Haschisch der bei Alkohol angenähert. Wird ein Autofahrer mit einem Kasten Bier im Auto kontrolliert, ohne selbst alkoholisiert am Steuer zu sitzen, führt das nicht zu einem Führerscheinverlust. Die Verfassungsrichter lassen keinen Zweifel daran, dass ein Autofahrer unter Haschischeinfluss fahruntüchtig ist. Nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten kommt die Kammer aber zu dem Ergebnis, dass einmaliger oder gelegentlicher Konsum nicht zu einer anhaltenden Absenkung der körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit führe.
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Dokument erstellt am 13.11.2002 um 21:26:28 Uhr
Erscheinungsdatum 14.11.2002
@all: war da am 13. so ein Gerichtsurteil? Ich hab nämlich nichts davon gehört. Es gab aber auch einen so ähnlichen Fall vor ein paar Monaten, wo das Urteil genause ausgefallen ist.
...und somit auch die Polizei. Ein Kollege von mir wurde mit Gras aufm Beifahrersitz nach diesem Urteil erwischt, und ich hab ihm das Urteil ausgedruckt, er hat das von seinem Anwalt ( da ich noch keiner bin ) an die Behörde schicken lassen, und damit war die Sache geschwätzt.
Im Volltext des Urteils hat das Bundesverfassungsgericht dem Flashback-Effekt eine Absage erteilt, der ja vorher quasi durch die deutschen Amtsstuben gegeistert ist, womit der moderate Haschkonsum nicht mehr zum Führerscheinentzug führen kann.
Allerdings ist im bekifften Zustand Fahren immer noch nicht legal ... das Urteil unterscheidet da recht deutlich. Und das ist an diesem Urteil meiner Ansicht nach auch der Wunde Punkt.
[nachfolgend eine private spekulation:]
Fraglich ist nämlich bei welchem Blut-THC-Wert die Behörden noch einen akuten Rausch am Steuer annehmen, und somit einem Fahrer auch bis zu diesem Zeitpunkt, welcher möglicherweise Tage nach dem ursprünglichen Konsum liegt, den Führerschein entziehen können.
Zwar billigt das BVerfG dem normalen THC-Rausch eine gewisse Wirkdauer in Std. bemessen zu, jedoch fehlt in diesem Urteil quasi ein Grenzwert für die THC-Konzentration im Blut, was ja bewusst ausgelassen wird, um den Behörden weiterhin, ob der noch andauernden Illegalität der Droge, einen Handlunsspielraum zuzubilligen.
Und da wird, wenn man als Fahrer erwischt wird, m.A. nach erst die Zeit zeigen, welche Werte von den Behörden als Grenzwerte anerkannt werden, und sich u.U. eine Kasuistik herausbilden, wie sie momentan zur "Menge des Eigenverbrauchs" existiert, die ja von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt wird.
[Ende der privaten Spekulation]
Ansonsten hoffe ich inständig, das dieses Urteil zum Weg in die quasi kontrollierte Abgabe ala Holland mündet ( Legalisierung an sich ist ja völkerrechtlich nicht denkbar, auch in Holland ist es ja nicht "legal" im besten Sinne des Wortes ) da der Besitz geringer Mengen nicht mehr strafbar ist ( respektive der Staatsanwalt das Verfahren einstellen muss ) und die "Ersatzbestrafung" durch Führerscheinentzug nun auch nicht mehr in der bisher existierenden einfachen Form möglich ist.
Somit wird der Konsument tatsächlich für die Handlung "Ankaufen" eines Stoffes, den er quasi ohne staatliche Behelligung in geringen Mengen besitzen kann, und dessen moderater Konsum auch keinen Führerscheinentzug nach sich führen kann, weiterhin kriminalisiert.
Dies geht m.A. nach so weit an der Realität vorbei, das ich inständig hoffe, das noch in dieser Legislaturperiode der gesunde Menschenverstand in der Politik zu diesem Thema einsetzt, und neue Modelle im Umgang gefunden werden.
nur meine 2 cents
gruß stitch
quote:
Ursprünglich geschrieben von stitch:
[b]
Dies geht m.A. nach so weit an der Realität vorbei, das ich inständig hoffe, das noch in dieser Legislaturperiode der gesunde Menschenverstand in der Politik zu diesem Thema einsetzt, und neue Modelle im Umgang gefunden werden.
Vergiß es!!! Der Koalitionsvertrag sieht nichts derartiges vor.
quote:
Ursprünglich geschrieben von vollgeil:
[b]
Eigentlich hilft mir das Urteil sowieso nicht. Mein THC-Gehalt ist immer so hoch als hätte ich gerade eine gesmoked. Also weiter hoffen, nicht erwischt zu werden.
Naja, THC ist ziemlich schnell abgebaut (ca 24Std). Nur wird bei Urin-Tests immer nur nach THCOOH gesucht, das sich monatelang bei Dauerkonsum im Blut halten kann. Daher bei Verkehrskontrollen immer Urintest verweigern, dann wird bei dir ein Bluttest durchgeführt, der nur das THC nachweist. Meist werden aber nur Drogentests angeordnet, wenn du schon vom Äusseren einen breiten Eindruck machst. Wer aber so durch die Gegend fährt, hat den Führerschein auch nicht verdient. Wollen dich die Bullen ohne Anfangsverdacht zu einem Drogentest überreden, versuch sie erst zu überzeugen, dass du nüchtern bist. Manchmal soll das angeblich klappen, ich selbst bin aber noch nicht oft kontrolliert worden.
@all: Wer von euch wurde der Führerschein wegen Drogenkonsums entzogen, obwohl der letzte Konsum schon Tage her war und ihr komplett nüchtern ward?
Ob das bundesweit so ist, glaub ich nicht. In Bayern mußt Du nur "kiffen" sagen & Du bist Schwerverbrecher und wirst mit Handschellen abgeführt.
cheers,
silicon
[ 21-11-2002: Beitrag editiert von: The Innocent ]
edit:
Nachweisdauer von Cannabis:
Blut: nur aktives THC, etwa 12 Stunden
Urin: von 2 Wochen bis 3 Monate
Achtung: in Bremen und NRW sollen neue Bluttests eine ähnliche lange Nachweisdauer ermöglichen wie im Urin.
Quelle: http://www.cannabislegal.de/dateien/spickzettel.pdf
[ 21-11-2002: Beitrag editiert von: GreenSpirit ]