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Autor Thema: Saddams Verteidiger - Tyrannosaurus Lex
Drei-Hoden-Bob
freak im schritt
Usernummer # 2842

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Der Pariser Anwalt Jacques Vergès kündigt an, er wolle die Verteidigung von Saddam Hussein übernehmen. Der Prozess wäre die Krönung seines Lebens: die Verteidigung des Bösen gegen die Einheitsfront der Moralisten. Seine Liebe gehört den Monstren des letzten Jahrhunderts.

Saddam Hussein habe seine ganze Sympathie. Das erklärte Jacques Vergès dem SPIEGEL schon, als die Folterkeller seines künftigen Mandanten noch gefüllt waren. "Ich mag Staatschefs, die an den Säulen der Tempel rütteln", erklärte der Pariser Staranwalt.
Seither war es nur eine Frage der Zeit, bis Frankreichs prominentester Anwalt sich in der Causa Saddam zu Wort melden würde. Vor zehn Tagen bereits, so teilte er heute mit, hätte die Familie des ehemaligen irakischen Außenminister Tarik Aziz ihn gebeten, die eventuelle Verteidigung von Saddam zu übernehmen. Kommt es zum Prozess, wäre das die Krönung seines Lebens: Die Verteidigung des Bösen gegen die Einheitsfront der Moralisten - im vollen Rampenlicht.

Jacques Vergès trägt gerne Schwarz, und sein Gesicht ist wie das perfekte Verbrechen: aufgeräumt und unergründlich. Das Leben hat scheinbar keine Spuren hinterlassen. Die Freundschaft mit den Schlächtern auch nicht. Jacques Vergès ist ein heiterer Mensch.

Es heißt, er nehme täglich ausgiebige Schaumbäder. Abends gehe er in die Restaurants der großen Pariser Boulevards und knacke Meeresfrüchte und Schalentiere. Er sei ein Stalinist, Faschist, Antisemit, Terrorist, heißt es. Aber sehr kultiviert. "Ein Strafprozess ist ein Kunstwerk", sagt er. "Allein gegen das Gericht zu stehen und einer Tat ihren Sinn zu geben - das ist der Stoff eines Romans, einer Tragödie. Jeder baut sich die Elemente zusammen und erzählt eine Geschichte. Ohne ihren Prozess wäre Jeanne d'Arc als verrückte Schäferin vergessen worden. Durch ihre Verteidigung wurde sie zur Heiligen."

Und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Für Jacques Vergès ein akzeptables Ergebnis. Zu seinen Mandanten gehörten der Nazi-Schlächter Klaus Barbie, der togolesische Diktator Eyadema, der Holocaust-Leugner Roger Garaudy und Slobodan Milosevic. Zu seinen persönlichen Freunden gehörten Pol Pot und Mao tse-Tung.

Vergès bewegt sich jenseits von Gut und Böse. Moral sei etwas für Trotzkisten, sagt er, für Sozialdemokraten und sonstige Weichlinge: "Meine Moral ist, gegen jede Moral zu sein, weil sie das Leben festzerren will." Vergès spricht mit einer für einen fast 80-jährigen ungewohnt jungen Stimme. Stets leicht gehoben im Ton. Mehrere Biografien sind über ihn geschrieben. Kaum ein französischer Anwalt ist bekannter, keiner skandalöser.

Sein Gespür für mögliche Tabubrüche ist untrüglich. Er hasse Heuchelei. Bevorzugt legt Vergès sich mit unumstrittenen moralischen Instanzen an. "Ich bin angezogen von Leuten, die anders sind als ich. Je unterschiedlicher, desto faszinierender sind sie. Es geht nicht darum, die Ideologie seines Klienten zu übernehmen. Käme Adolf ****** in mein Büro und sagte: Maître, ich werde zur Höchststrafe verurteilt werden, aber geben Sie meinem Leben seine ästhetische Dimension - glauben Sie, ich würde den Fall ablehnen?"

Er blendet mit Brillanz. Es bereitet ihm Vergnügen, anderen vorzuführen, wie wackelig ihre Grundüberzeugungen sind. Alles ist relativ. Gesetze werden gebrochen, wenn sie sich dem Gang der Geschichte in den Weg stellen, und dann vergessen. Kabila, Castro, Mao - den "Terroristen" von gestern wird morgen der rote Teppich ausgerollt und übermorgen stehen sie als Staatsväter in den Geschichtsbüchern.

Oder umgekehrt. "Ich habe", sagt Vergès, "dem Präsidenten Milosevic gesagt, dass Frankreich nur widerwillig bei diesem Tribunal mitmacht. Ein Gericht, das 1993 eingerichtet wurde, um Vorkommnisse von 1991 zu richten? Auf Geheiß der USA? Mit diesem Gericht gibt es keinen Dialog. Hier soll ein Mann verurteilt werden und verteufelt." Und das wird er auch im Fall Saddams verhindern. Wie schon so oft.

Jacques Vergès wurde 1924 im heutigen Laos geboren, als unehelicher Sohn einer einheimischen Lehrerin und eines französischen Arztes: Skandal. 1943 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger bei den Auslandstruppen de Gaulles. Nach dem Krieg wird er Jugendfunktionär der KP. In diesen Jahren lernt er die Blüte der unterdrückten Völker kennen. Junge, ehrgeizige Männer, die später zu den Herrschern Afrikas und Asiens werden. Nelson Mandela, Pol Pot ("es fehlte ihm nicht an Humor"), Félix Houphouët-Boigny aus der Elfenbeinküste.

1952 ist Vergès führender Funktionär der Internationalen Studentenvereinigung, der Studenten-Komintern. Es ist die Welt der Geheimtreffen, der abrupten Kurskorrekturen und der Abweichler, Volksfeinde und Verräter. Eine Welt, in der Wörter das Gewicht von Taten hatten und falsche Sätze den Tod bedeuten konnten. Vergès war glücklich. Er spürte, das war seine Welt. Wer das Wort führen konnte, hatte die Macht.

Advokaten, sagt Vergès, herrschten mit der Sprache nicht weniger wie Literaten. Ein gutes Plädoyer fächere, wie ein Roman, wie ein Theaterspiel, eine Geschichte und einen Charakter auf. Solange, bis sich Gut und Böse, Schuld und Schicksal ineinander auflösen und zuletzt nur noch eine Textur von Ursachen, Einflüssen, Zufällen übrigbleibt, angesichts derer jedes Urteil als Willkür erscheinen muss.

Und hinter dem Wust ein Mensch. Und heiße er Saddam Hussein. Ecce homo. Im Algerienkrieg verteidigt er die Bombenleger. "Strategie des Bruches", nennt er es: "Kein Einverständnis über die Prinzipien, in deren Namen geurteilt wird." Algerien, ruft Vergès immer wieder, sei nicht Frankreich, das französische Recht daher ohne Belang. Seine Mandanten seien Kombattanten, keine Verbrecher. Angeklagt gehörten die Ankläger, die einen Kolonialkrieg führten.

Seine Mandanten, erklärt Vergès, stünden fest zu ihrer politischen Haltung und zu ihrer Tat. Jeder Kompromiss mit der Staatsanwaltschaft, jeder Vergleich wird abgelehnt. In seinen Prozessen ging es Vergès nie um Freispruch. Die Fälle waren von vornherein verloren. Der einzige Gewinner war er selbst.

Als sein größtes Kunststück betrachtet Maître Vergès den Prozess gegen den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, im Sommer 1987. Innerhalb kurzer Zeit hatte Vergès die Nation vereint gegen sich. Er allein gegen die guten Seelen der Nation. Mit einigen Auftritten gelang es ihm, den so selbstverständlichen Prozess gegen Barbie zu einer nationalen Selbstbefragung, einer quälenden Selbstbefragung zu machen, in der alte Wunden aufgerissen und nationale Mythen zerstört wurden.

Beobachter irritierte die Kälte, mit der Vergès die Aussagen der Überlebenden in Frage stellte. Die offensichtlich völlige Unempfindlichkeit gegenüber Leiden. Und die demonstrative Wertschätzung des greisen SS-Manns. Der Prozess kostete Vergès die letzten Sympathien der Linken.

Seine Liebe gehört den Monstren des letzten Jahrhunderts. Allen, die mit schmutzigen Händen aus dem Maschinenraum der Macht hervorgezerrt werden und zu viel wissen, um an moralische Grenzziehungen zu glauben. Das gefällt ihm. Er bewundert, wie Milosevic sich die Technik der Konflikt-Verteidigung zu Eigen gemacht hat.

Vergès sagt, er sei sich sich sein Leben lang politisch treu geblieben. Er verachtet Amerika, den Zionismus, die Sozialdemokratie und alle Menschenrechtelei. Vergès lebt in einer mythischen Gegenwart. Er hängt einer vagen Idee von Visionärem, Rebellentum, Bonapartismus und Nationalpathos nach. Er ist angezogen von den Fürsten und Übermenschen, von Mao und de Gaulle. Er spricht mit Achtung von den Desperados wie dem Terroristen Carlos, die ihre eigene bürgerliche Karriere für eine Sache aufgaben. "Was ist abscheulicher: Eine Bombe in einem Café zu zünden oder vom Flugzeug aus ganze Städte auszuradieren? Der Terrorismus ist die letzte Waffe der Unterdrückten."

Mancher sähe die Schlagfertigkeit dieses Anwalts, seine Geistesgegenwart lieber an anderer Stelle. An der Seite jener, die in Bagdad dem Tyrannen ins Gesicht sagen müssen, wie sie gemartert, wie ihre Liebsten gemordet wurden. Aber einen Amoralisten fasziniert das bloße Opfer nicht. Es fehlt die Gewalt, das Wasserzeichen des Tragischen. Nur wenn das Opfer selbst Blut an den Händen hat, nimmt dieser Anwalt Witterung auf.

Das ist seine Lehre. Alles ist Spiel, und nur das Tragische ist interessant. Vergès hat in einige Abgründe des 20. Jahrhunderts blicken dürfen und kam mit versteinertem Gesicht zurück, zu einem Lächeln erstarrt, wie die Khmer-Köpfe seiner Kanzlei. "Nicht doch. Ich bin immer ein glücklicher Mensch gewesen", sagt Jacques Vergès, bevor er sich erhebt, um sich wieder dem Bösen zuzuwenden.

Quelle: www.spiegel.de

Aus: Hessens charmantestem Sündenpfuhl | Registriert: Jun 2001  |  IP: [logged]
silicon
AErodynamic
Usernummer # 503

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verstehe den titel nicht "-lex"...warum lex?

hört sich doch schonmal sehr interessant an. [popcorn]

cheers,
silicon

Aus: Universe | Registriert: May 2000  |  IP: [logged]
Drei-Hoden-Bob
freak im schritt
Usernummer # 2842

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habe den titel vom spiegel übernommen.
Aus: Hessens charmantestem Sündenpfuhl | Registriert: Jun 2001  |  IP: [logged]
DJ B-Side

Usernummer # 5926

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heißt Lex nicht König?
Bitte nicht schlagen wenns net stimmt, ich hatte nie Latein [Wink]

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ceephax
jesus loves the acid
Usernummer # 9152

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Rex = König
Lex = Gesetz

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TheFunker

Usernummer # 1729

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ganz schön krasse ansichten hat der herr advokat da anscheinend...

[wirklichkrank]

Aus: Lörrach | Registriert: Jan 2001  |  IP: [logged]
Drei-Hoden-Bob
freak im schritt
Usernummer # 2842

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ja, aber jetzt schlagt mich nicht, trotzdem finde ich ihn irgendwie einen lässigen hund.
Aus: Hessens charmantestem Sündenpfuhl | Registriert: Jun 2001  |  IP: [logged]
TheFunker

Usernummer # 1729

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Das eine schliesst das andere ja nicht zwangsläufig aus.

Aber für mich klingt das auch ein bisschen nach sensationsgeilheit.

Aus: Lörrach | Registriert: Jan 2001  |  IP: [logged]
minimalniemand

217cup 2oo4
Usernummer # 3401

 - verfasst      Profil von minimalniemand   Homepage     Eine neue privateMessage schreiben       Editiere/Lösche Post   Antwort mit Zitat 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: Drei-Hoden-Bob:
ja, aber jetzt schlagt mich nicht, trotzdem finde ich ihn irgendwie einen lässigen hund.

Hab den Artikel vorhin bei spiegel.de gelesen ... hab in etwa das gleiche gedacht [smilesmile]

Auf jeden Fall kann man dem Mann keine Konfliktscheue vorwerfen

Aus: echtem Leder | Registriert: Aug 2001  |  IP: [logged]
FunkyAndy

Usernummer # 1493

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ist der typ nicht alleine ein grund die erzfeinde vieler nationen (oder gar der welt) (= frankreich) mal anzugreifen und zu zerstören? [smilesmile]
Aus: Mond | Registriert: Dec 2000  |  IP: [logged]


 
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