Kick aus der Wasserpfeife
Offensiv fordern die Grünen die Legalisierung von Hasch. Doch Suchtexperten warnen: Zwar sinkt die Zahl der Drogentoten, doch immer mehr Kinder greifen zum Joint. Die Gefahr wurde bisher unterschätzt: Neuen Forschungen zufolge drohen Gedächtnisausfälle und langfristige Hirnschäden.
In seinem ersten Leben strotzte Markus vor Energie. Er kickte im Fußballverein und war einer der Schnellsten auf der 5000-Meter-Strecke. Mit seiner Mutter, dem Stiefvater und dem älteren Bruder verstand er sich prima.
Sein zweites Leben nahm einen ganz anderen Verlauf. Er wurde verschlossen, kapselte sich ab. "Mir ist vieles egal geworden", sagt er. Der Auslöser des Wandels war Hasch: Schon ein halbes Jahr nach seinem ersten Joint im Freibad war Markus von morgens bis abends zugekifft. Er konnte sich kaum noch auf Gespräche konzentrieren. Wenn der Stoff zur Neige ging, wurde er schnell aggressiv.
Die ständige Beschaffung von neuem "Dope" ging ins Geld: Demnächst steht der Ex-Hascher wegen Raub und schwerem Diebstahl vor dem Richter.
Sein drittes Leben hat Markus soeben in einer Entzugsklinik im Nordwesten von Hamburg begonnen. Nach drei Wochen Entgiftung gibt er sich "sehr, sehr sicher", dass er nicht mehr "in den Kifferpool" zurückfallen wird. Wenn er Glück hat, kann das dritte Leben eine ganze Weile dauern - der Junge ist 16.
Cannabis, das Rauschmittel aus der Hanfpflanze, gilt als "weiche" Droge. Experten halten Marihuana und Haschisch für weniger gefährlich als die legalen Drogen Alkohol und Nikotin. Todesfälle durch Cannabis sind nicht bekannt - die Rezeptoren für die psychotropen Wirkstoffe der Pflanze sitzen nicht in Hirnregionen, die für lebenswichtige Funktionen wie Herz oder Kreislauf verantwortlich sind.
Als "Einstiegsdroge" spielt Cannabis kaum eine Rolle: 80 Prozent der Kiffer bleiben bei ihrem Kraut, sie greifen nicht zu härteren Drogen. Im Nachbarland Niederlande etwa ist nach der Liberalisierung der Cannabis-Abgabe die Nachfrage nach Kokain oder Heroin nicht gestiegen.
Auch die gesundheitlichen Folgen des Haschischrauchens gelten als moderat. In einer Untersuchung für das Bundesgesundheitsministerium stellten der Psychologe Dieter Kleiber und der Pharmazeut Karl-Artur Kovar 1997 fest: Ein Joint am Feierabend sei "weniger dramatisch und gefährlich" als gemeinhin angenommen.
Die akute Toxizität ist tatsächlich eher gering. Genetische oder zelluläre Schäden durch Marihuana und Haschisch wurden bislang beim Menschen nicht eindeutig nachgewiesen. Das Suchtpotenzial der "Genussdroge" ist geringer als das von Alkohol und Nikotin.
Ebendeshalb fordern viele Linke und Alt-68er, Cannabis nicht länger zu ächten. Mit einer Anfang Juli gestarteten Kampagne etwa tingeln die Bündnisgrünen und ihre Nachwuchsorganisation "Grüne Jugend" durch Deutschland, um 100.000 Unterschriften zur Legalisierung zu sammeln.
Sie trommeln für eine "rationale Drogenpolitik", bei der nicht länger Hunderttausende von Cannabis-Konsumenten kriminalisiert würden. In Anlehnung an den Appell des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog lautet ihr Motto: "Durch Deutschland muss ein Joint gehen!"
Doch der Zeitpunkt ist schlecht gewählt. Denn gerade jetzt melden Drogenexperten zunehmend Bedenken an: Bei Kindern und Jugendlichen sei Cannabis auf dem Vormarsch wie nie zuvor. Der Konsum von Heroin, Kokain und Ecstasy ist insgesamt rückläufig, in vielen Jugendcliquen verdrängt Haschisch dagegen sogar den Alkohol: "Alle kiffen", sagt eine Schülerin, "es gibt kaum noch einen, der etwas trinkt."
Unter deutschen Jugendlichen hat es Cannabis mit Abstand zur beliebtesten "Partydroge" gebracht. Suchtexperten wie Roland Simon vom Münchner Institut für Therapieforschung registrieren einen "irrwitzigen Anstieg" (siehe Grafik).
Schon Acht-, Neun- oder Zehnjährige machen ihre ersten Erfahrungen mit dem Joint oder der Wasserpfeife ("Bong"). Mit 14 oder 15 dröhnen sie sich dann als "Kampfkiffer" nicht selten mit täglich drei bis fünf Gramm "Dope", "Shit" oder "Gras" zu. "Die glauben inzwischen, dass das, was sie tun, die Norm ist", klagt Udo Küstner, Psychotherapeut an der Drogenambulanz für Jugendliche und junge Erwachsene am Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf (UKE). "Viele Jugendliche können sich kaum mehr vorstellen, einen Videofilm ohne Kiffen anzuschauen", sagt auch Heidrun Wiedenmann, Psychotherapeutin an der UKE-Drogenambulanz.
Die Beobachtungen der Helfer decken sich mit den neuesten epidemiologischen Zahlen. Bei den 18- bis 24-Jährigen ist die Gruppe der Probierer, Gelegenheits- und Dauerkiffer in Westdeutschland in den letzten vier Jahren von 24 auf 38 Prozent gestiegen. 16 Prozent der 12- bis 18-Jährigen haben schon Erfahrungen mit der Droge.
Noch alarmierender klingen die Zahlen aus Hamburg: Jeder fünfte 12- bis 20-Jährige steckt sich den Joint nach Angaben der Landesstelle gegen Suchtgefahren "regelmäßig" an. "Gerade bei den ganz Jungen ist der Konsum in den letzten Jahren explodiert", berichtet Rainer Thomasius, Leiter der UKE-Drogenambulanz.
Schon haben sich in vielen Drogenhilfeeinrichtungen Cannabis-Konsumenten zur zahlenmäßig stärksten Problemgruppe gemausert. Vor zehn Jahren noch war der typische Klient in den ambulanten Anlaufstellen für Suchtkranke der heroinabhängige Junkie. Wenig später folgten die Kokser. Jetzt werden die Beratungsstellen zunehmend von jugendlichen Bleichgesichtern überschwemmt, die mit dem Kiffen nicht mehr klarkommen.
"Es gibt Patienten, die haben mit acht Jahren angefangen", berichtet Karin Harries-Hedder, Psychologin bei der Hamburger Drogenstelle "Therapiehilfe". "Wenn die dann mit 13 bei uns auftauchen, sind sie oft schwer depressiv, können sich nicht mehr konzentrieren oder logisch denken."
Trotzdem haben selbst viele Suchthelfer den Umbruch noch nicht verinnerlicht - sie halten Cannabis noch immer für ungefährlich und schicken die Hilfesuchenden wieder nach Hause. "Über Heroin weiß fast jeder Bescheid", klagt Wiedenmann, "der Informationsstand zu Cannabis ist leider äußerst jämmerlich."
Erklärungen für die rapide Zunahme der Probleme mit dem Kiffen haben indessen auch viele Experten nicht. Die heute verwendete "Partydroge" ist durch gezielte Pflanzenzucht um ein Vielfaches potenter als in den siebziger Jahren. Wer von den Jungen öfter als nur gelegentlich raucht, besorgt sich meist schnell die Wasserpfeife: Der psychotrope Pflanzenbestandteil "Tetrahydrocannabinol" (THC) flutet dadurch schneller und intensiver im Gehirn an. Die Wirkung gleicht fast dem "Flash" oder "Kick" bei der Heroinspritze. "Es gibt viele Kiffer, die ihr Leben auf die Reihe kriegen, aber Bong-Raucher sind das bestimmt nicht", sagt die 26-jährige Marion, die seit dem elften Lebensjahr Cannabis raucht.
Quelle http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,209176,00.html
Außerdem hängen heute die 10 Jährigen schon mit 18 Jährigen zusammen in Cliquen ab. Es gibt einen großen Altersunterschied. Die Älteren rauchen, die Jümngeren sehen es und machens auch!
Es hat sich vieles geändert in Deutschland.
Zur Legaliesierung: Nö, wo bleibt denn dann der Kick des Verbotenen???*GG*
[ 23-08-2002: Beitrag editiert von: Kollege ]
Ich hatte viel grössere Problem mit Zigaretten aufzuhören und das ist jetzt schon mehr als 3 Jahre her. Rauche nur noch ganz selten Ziggis, wenn ich betrunken bin manchmal noch, aber das kommt selten vor weil ich Alkohol nicht mehr mag.
Sorry, dass ich diesen Artikel schon wieder gepostet habe..
[ 24-08-2002: Beitrag editiert von: infinity ]
quote:
Leserbrief zu: Nr. 33 / 2002, 12. Aug. 02Sucht: Kick aus der Wasserpfeife
Kinder koennen Haschisch kaufen. Der schwarze Markt ist kein Hindernis für den Konsum. Er macht den Zugang leicht und Jugendschutz unmoeglich. Die Forderung nach der Cannabis-Legalisierung ist keine Befuerwortung des Konsums, sondern die einzige Moeglichkeit, den schwarzen Markt zu beseitigen und wirksamen Jugendschutz zu betreiben.
Dr. med. Carl Nedelmann
Ebenso hat Dr. med. Franjo Grotenthermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis in der Medizin (ACM) und der International Association for Cannabis as medicine (IACM) an den SPIEGEL folgenden Leserbrief geschickt:
quote:
LESERBRIEF
zu "Kick aus der Wasserpfeife" vom 12. August 2002Zu Ihrem Beitrag möchte ich anmerken, dass seine zentrale
Aussage "Neuen Forschungen zufolge drohen Gedächtnisausfälle
und langfristige Hirnschäden" unzutreffend ist. Es gibt zwar die von
Ihnen angeführten Ergebnisse australischer (Nadia Solowij und
Kollegen) und amerikanischer Forschungsgruppen (Harrison Pope
und Kollegen) und es gab dazu auch eine ausführliche Diskussion
beispielsweise in der Zeitschrift der amerikanischen medizinischen
Gesellschaft JAMA (Ausgaben vom 6. März und vom 22.-29. Mai
2002). Die Ergebnisse wurden im Spiegel-Beitrag jedoch auf den
Kopf gestellt, denn die jüngere Forschung zeigt, dass langfristige
Hirnschäden selbst nach mehr als 10-jährigem täglichen Konsum
eher unwahrscheinlich sind.Zusammenfassend zeigen die neuen Studien Folgendes: In
komplexen neuropsychologischen Tests zur Untersuchung der
Denkfunktionen fanden sich zwischen Personen, die seit
durchschnittlich 10,2 Jahren nahezu täglich Cannabis
konsumierten, keine Unterschiede zu Nichtkonsumenten. Personen,
die durchschnittlich 23,9 Jahre nahezu täglich Cannabis
konsumierten, schnitten bei Tests zu Aufmerksamkeit und
Gedächtnis jedoch deutlich schlechter ab als die Nichtkonsumenten
und die kürzeren Konsumenten. Waren starke und langzeitige
Cannabiskonsumenten allerdings 28 Tage abstinent, so fanden sich
nach dieser Zeit keine Unterschiede mehr zu Nichtkonsumenten.
Unterschiede zwischen Cannabiskonsumenten und
Nichtkonsumenten in der kognitiven Leistungsfähigkeit finden sich
also erst nach sehr langem und starken Konsum (täglich mehr als
10 Jahre) und auch diese Beeinträchtigungen sind nach vier
Wochen nicht mehr nachweisbar. Sie sind also reversibel.Diese und andere Beiträge zur Diskussion finden sich vollständig
online im Archiv der JAMA:
xxxxx://jama.ama-assn.org/In den Original-Publikationen heißt es:
"Es wurde zwischen 1997 und 2000 eine retrospektive
kreuzsektionale neuropsychologische Studie bei 102 nahezu
täglichen Cannabiskonsumenten (51 langzeitigen Konsumenten: im
Mittel 23,9 Jahre Konsum; 51 kurzeitigen Konsumenten: im Mittel
10,2 Jahre Konsum) durchgeführt, die mit 33 nichtkonsumierenden
Kontrollen verglichen wurden. (...) Langzeitige Konsumenten
schnitten signifikant schlechter als kurzzeitigere Konsumenten und
Kontrollen bei Tests zu Aufmerksamkeit und Gedächtnis ab. Es gab
keinen Unterschied zwischen kurzzeitigeren Konsumenten und
Kontrollen" (N. Solowij am 6. März)."Eine andere jüngere Studie aus unserem Testlabor fand nahezu
keine signifikanten Unterschiede zwischen 108 starken
Cannabiskonsumenten und 72 Kontrollen (...) in einer Batterie von
10 neuropsychologischen Tests nach 28 Tagen überwachter
Abstinenz von der Droge" (H. Pope am 6. März)."Wir haben nicht behauptet, dass die kognitiven
Beeinträchtigungen, die mit langzeitigem starken Cannabiskonsum
assoziiert sind, irreversibel waren. (...) Diese Beeinträchtigungen
könnten im Sinne einer graduellen Anpassung des Nervensystems
an eine verlängerte Exposition mit exogenen Cannabinoiden
interpretiert werden, was möglicherweise in einer veränderten
Funktion des endogenen Cannabinoidsystems oder anderer
Neuromodulatorsysteme resultiert. Nach längerer Abstinenz können
diese Systeme gut wieder zur gesunden Funktion zurückkehren" (N.
Solowij am 22. Mai).Dr. med. Franjo Grotenhermen
Vorsitzender
International Association for Cannabis as Medicine (IACM)
Was der komische Spiegel-Artikel sollte frag ich mich da schon. Offensichtlich sind hier die publizierten wissenschaftlichen Ergebnisse beschnitten wiedergegeben worden, damit sie in den Artikel "passen". Das nenn ich dann mal neutralen Journalismus.
Spiegel ->
quote:
Ursprünglich geschrieben von der_trauma:
Ich find das gar nicht so schlecht, dann können uns die "jungspunde" später mangels hirn nämlich nicht unsere topverdienerposten streitig machen! *gg*
Die sollen aber Deine Rente bezahlen ... und komm jetzt nicht mit privater Vorsorge, Relaxen im Alter funktioniert in jedem System nur, wenn die jungen arbeiten.
edit: ach ja und arbeiten(körperlich)kann man auch strohdumm, nur eben mit mir als chef ;-)
[ 03-09-2002: Beitrag editiert von: der_trauma ]
quote:
Ursprünglich geschrieben von superjo:
es is einfach fakt dass bongrauchen super kicksüchtig macht [...]
Da muss ich dir vollkommen zustimmen!
Ich könnte es mir momentan noch nicht vorstellen, z.B. komplett auf Tüten umzustellen. Bin einfach leidenschaftlicher Bongraucher