Wer mit Haschisch erwischt wird, büßt häufig mit dem Verlust des Führerscheins. Jetzt entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob diese Praxis rechtmäßig ist.
Fünfzig Mark zahlte der junge Mann für das Tütchen Marihuana, das er in einer einschlägig bekannten Kneipe in Hamburg erstand. Wenig später war der 30-jährige Koch seinen Führerschein los.
Denn kaum hatte er das Gras in die Tasche gesteckt, hielten ihn zwei Zivilfahnder an - und nahmen ihm das Corpus Delicti ab. Statt von der Staatsanwaltschaft bekam der Delinquent Post von der Führerscheinstelle Hamburg-Mitte, die ihn zum Drogentest bat. Weil er sich weigerte, bestrafte ihn die Behörde mit Fahrverbot - wegen "hier bestehender Zweifel an Ihrer weiteren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen".
Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1994 werden Erwerb und Besitz geringer Mengen Cannabis zum Eigenkonsum im Normalfall nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Doch nun meldet die Polizei fast jeden, den sie mit einem Krümel Haschisch in der Tasche erwischt, der Führerscheinbehörde - die Folge ist häufig der unbefristete Verlust der Fahrerlaubnis.
Dabei ist unerheblich, ob einer am Steuer unter Drogen steht. Der Anwalt des Betroffenen, Heiko Mohrdiek, klagt: "Dass man nicht bekifft Auto fahren darf, ist klar, aber hat schon mal jemand den Führerschein verloren, nur weil er zu Hause ein Bier trinken wollte?"
Die Praxis des Führerscheinentzugs richtet sich auch gegen Autofahrer, die zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht von Drogen benebelt waren. Zwar schränkten die Karlsruher Verfassungsrichter schon vor Jahren die Anwendung einer entsprechenden Regelung ein. Doch die Bundesregierung unter Helmut Kohl reagierte 1998 mit einem verschärften Passus in der so genannten Fahrerlaubnis-Verordnung. Seither droht jedem Gelegenheitskiffer die faktische Bestrafung durch das Verkehrsrecht.
Daran könnte sich bald etwas ändern. Dieser Tage stehen in Karlsruhe weitere Cannabis-Fälle zur Entscheidung an. Die gehen zwar auf die Rechtslage von vor 1998 zurück; Experten vermuten aber, dass die Verfassungsrichter mit grundsätzlichen Aussagen dem fragwürdigen Verfolgungseifer Einhalt gebieten.
Aktenkundig sind recht befremdliche Fälle:
Bei einer Zollkontrolle an der tschechisch-bayerischen Grenze fand die Polizei 1996 bei einem Einheimischen drei Gramm Haschisch. Der Mann, mehr als 25 Jahre unfallfrei, null Punkte in Flensburg und 22 Jahre lang Vorsitzender der örtlichen Verkehrswacht, hat seither keinen Führerschein mehr. Er klagte durch alle Instanzen, ohne Erfolg.
In Berlin verlor ein Fußballfan seine Fahrerlaubnis, weil er an einem Joint gezogen hatte, der während eines Heimspiels von Hertha BSC im Fanblock kreiste. Mittlerweile hat das Berliner Verwaltungsgericht diesen Willkürakt revidiert.
Drogenfahnder wissen, wo Jugendliche sich gern einen verbotenen Kick verschaffen: Nach dem Disco-Besuch oder abends am Baggersee schlagen die Beamten zu und bitten gezielt auch Nicht-Autofahrer zum Schnelltest, bei dem Proben von Schweiß oder Urin untersucht werden.
Bei möglichem Konsum von Ecstasy oder anderen härteren Drogen nehmen die Polizisten häufig sofort den Führerschein mit. Bei Cannabis-Verdacht wird erst ein Labortest oder eine fachärztliche Untersuchung verlangt, bevor es zur gefürchteten medizinisch-psychologischen Untersuchung, dem "Idiotentest", kommt.
Wer einmal auffällig wurde, sieht sich einer Verdachtskette ausgesetzt: Der Besitz geringer Drogenmengen gilt als Indiz für Eigenkonsum, dieser als Anhaltspunkt für häufigeren Rausch, und wer öfter berauscht ist, so wird vermutet, fährt dabei auch Auto - und gilt damit generell als fahruntüchtig.
Tatsächlich setzen sich im Jahr rund 300 000 junge Leute unter dem Einfluss von Haschisch und Marihuana ans Steuer, etwa 16 000 Unfälle werden nach Expertenmeinung durch berauschte Fahrer verursacht - bisweilen mit schrecklichen Folgen. So fuhr ein 20-Jähriger nach Haschisch-Konsum im August vorigen Jahres auf einer brandenburgischen Landstraße eine junge Mutter zu Tode.
Jährlich schätzungsweise 60 000 Verkehrsteilnehmer müssen sich, weil sie mit Drogen oder Medikamenten aufgefallen sind, einem oft mehrstufigen Check unterziehen. Gegen die Anordnungen zur ärztlichen Untersuchung gibt es kein Rechtsmittel. Regelmäßige Drogenkonsumenten verlieren den Führerschein ebenso wie jene, die sich den Untersuchungen verweigern.
Anders als im Strafrecht trägt der Konsument die Beweislast, und das kann teuer werden. Bereits ein Drogentest - drei sind meist nötig - kostet an die 80 Euro, ein ärztliches Gutachten 300 Euro und mehr.
"Wer nicht mindestens ein halbes Jahr Abstinenz nachweisen kann", so der Ludwigsburger Anwalt Michael Hettenbach, "hat nach menschlichem Ermessen keine Chance, den Führerschein je wiederzubekommen.
yeppa, heute geht's drum! ansonsten habe ich an der deutschen gesetzgebung nämlich gar nix auszusetzen...
*Gebetsteppich nach Osten ausroll*
*für bessere Gesetze bet*
man ist jetzt seinen führerschein wohl nicht ehr sofort los, wenn man was dabei hat.
Karlsruhe - Mit dem Urteil gab das Bundesverfassungsgericht am Freitag einem Mann Recht, bei dem die Polizei fünf Gramm Haschisch gefunden hatte. Als er einen Drogentest verweigerte, entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis. Und das, obwohl es keinerlei Hinweise gab, dass der Mann je unter Drogeneinfluss am Steuer gesessen hatte.
Nur wenn entsprechende Hinweise vorliegen und sich der überführte Kiffer weigert, am Drogenscreening teilzunehmen, kann ihm der Führerschein entzogen werden, entschieden die Richter. In einem Fall, in dem in einem Autoaschenbecher Reste von Haschisch gefunden wurden und sich der Mann ebenfalls weigerte, an einem Drogentest teilzunehmen, durfte die Fahrerlaubnis eingezogen werden. Denn in diesem Fall habe es ausreichende Verdachtsmomente dafür gegeben, dass der Betreffende auch unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilnahm, urteilten die Verfassungsrichter.
Es gebe keinen Anlass zu der Befürchtung, dass der einmalige oder gelegentliche Haschischkonsum zu einer andauernden Fahruntüchtigkeit führe, urteilte das Gericht.
(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 2062/96 und 2428/95)
Kein Führerscheinentzug bei gelegentlichem Hasch-Konsum
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Karlsruhe (rpo). Wer bei einer Autofahrt mit einer geringen Menge Hasch erwischt wird, diese Fahrt aber nicht unter Drogeneinfluss erfolgte, dem kann nicht der Führerschein entzogen werden.
Das Bundesverfassungsgericht gab am Freitag einem Mann Recht, bei dem die Polizei bei der Rückreise aus den Niederlanden fünf Gramm Haschisch gefunden, aber keinerlei Hinweise auf Fahren unter Drogeneinfluss festgestellt hatte. Als er das so genanntes Drogenscreening - eine Überprüfung seiner Fahreignung - verweigerte, entzog ihm die Stadt Freiburg die Fahrerlaubnis. Es gebe keinen Anlass zu der Befürchtung, dass der einmalige oder gelegentliche Haschischkonsum zu einer andauernden Fahruntüchtigkeit führe, urteilten nun die Karlsruher Richter.
Nach den Worten der 1. Kammer des Ersten Senats war der Führerscheinentzug verfassungswidrig, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zu einer möglichen Gefährdung des Straßenverkehrs stand. Die Tatsache, dass jemand - ohne sich dabei ans Steuer zu setzen - gelegentlich Cannabis konsumiere, begründe noch keinen hinreichenden Tatverdacht, der die Überprüfung der Fahrtauglichkeit rechtfertige.
Das Gericht betonte aber, dass gegen ein Drogenscreening - und bei Weigerung gegen einen Führerscheinentzug - nichts einzuwenden sei, wenn über den bloßen Cannabisbesitz hinaus der konkrete Verdacht bestehe, "dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag". In einem zweiten Fall billigte Karlsruhe den Führerscheinentzug, weil im Auto-Aschenbecher des Betroffenen die Reste eines "Joints" gefunden worden waren.
bundesverfassungsgericht rulez! *g*
.. typisch .. *g* langsam wirds
TSchüüü
de MOmo
****keep on rocking****
de MOmo
quote:
Es gebe keinen Anlass zu der Befürchtung, dass der einmalige oder gelegentliche Haschischkonsum zu einer andauernden Fahruntüchtigkeit führe, urteilten nun die Karlsruher Richter.
quote:
Das Gericht betonte aber, dass gegen ein Drogenscreening - und bei Weigerung gegen einen Führerscheinentzug - nichts einzuwenden sei, wenn über den bloßen Cannabisbesitz hinaus der konkrete Verdacht bestehe, "dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag."
Uh oh, typisch "Rechtsprechung": Dürfte ja wohl klar sein, wie dieser "konkrete Verdacht" ausgelegt werden wird.
Das heisst es wurde davon ausgegangen, das ich bekifft Auto fahre, obwohl keinerlei Beweise vorlagen. Frechheit. Hach, ich hatte es verdängt.
Ich sollte das Geld einklagen.
Freie Fahrt für Gelegenheitskiffer
Von Dietmar Hipp, Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Haschischrauchen außerhalb des Straßenverkehrs ist kein Grund, jemandem die Fahrerlaubnis zu entziehen. Wer sich bekifft ans Steuer setzt ist jedoch auch künftig seinen Führerschein los.
DPA
Cannabis-Konsum: Wer Drogen besitzt, steht unter Generalverdacht
Karlsruhe - Fünf Gramm Haschisch hatte der Freiburger Gregor F. (Name geändert) im Tabaksbeutel, als er im März 1994 auf der Rückreise mit dem Auto an der deutsch-niederländischen Grenze kontrollierte wurde. Obwohl die Grenzer bei F. keine Anzeichen für Drogenkonsum entdecken konnten, schauten sie genau nach. Schnell fanden sie den verbotenen Stoff, stellten das Corpus delicti sicher.
Einen Monat später forderte ihn die Verkehrsbehörde der Stadt Freiburg auf, innerhalb von drei Tagen eine Urinprobe abzugeben und untersuchen zu lassen - auf seine Kosten. Weil S. sich weigerte, bestrafte ihn die Behörde mit dauerhaftem Fahrverbot. Die Verweigerung des Drogentests, so die Führerscheinbehörde, lasse darauf schließen, dass er etwas zu verbergen habe. Bereits durch seine mangelnde Kooperationsbereitschaft beweise F. "mangelnde Kraftfahreignung", mit der Folge, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse.
F. klagte dagegen bis zum Bundesverwaltungsgericht, doch ohne Erfolg. Schließlich wandte sich F. - gestützt auf das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit - an die Karlsruher Verfassungsrichter. Und diese haben ihm jetzt Recht gegeben. Die Führerscheinbehörde, so die Karlsruher Richter, hätten F. die Fahrerlaubnis "nicht allein auf der Grundlage des einmalig festgestellten Haschischbesitzes und der Weigerung, am Drogenscreening teilzunehmen", entziehen dürfen. Generell sei der "einmalige oder nur gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtsmoment zu bewerten".
Das Ende der Lieblingswaffe der Drogenfahnder
Damit hat das Verfassungsgericht einer Praxis die Grundlage entzogen, die sich in den letzten Jahre zur beliebtesten Waffe der Drogenfahnder entwickelt hat. Zwar wird Erwerb und Besitz geringer Mengen Haschisch und Marihuana zum Eigenkonsum seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 im Normalfall nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Doch gerade deshalb meldet die Polizei seit Jahren fast jeden, den sie mit Cannabis-Produkten erwischt, der Führerscheinbehörde - Konsequenz: teure Gutachten, und häufig unbefristeter Verlust des Führerscheins.
Jährlich etwa 60.000 Führerscheinbesitzer, schätzen Experten unter Berufung auf Behördenangaben, mussten sich zuletzt einer mehrstufigen Fahreignungsprüfung wegen Drogen- und Medikamentenmissbrauchs unterziehen - in etwa 30 Prozent der Fälle stand am Ende dieser Prozedur der dauerhafte Entzug der Fahrerlaubnis.
Das Perfide daran: Es ist kommt gar nicht darauf an, dass man im Cannabisrausch am Steuer erwischt worden ist - wer Drogen besitzt, egal in welcher Situation, steht unter Generalverdacht. "Dass man nicht bekifft Auto fahren darf, ist klar", sagen Experten wie der Hamburger Anwalt Heiko Mordiek, der Dutzende solcher Fälle vertritt, "aber hat schon mal jemand den Führerschein verloren, nur weil er zu Hause ein Bier trinken wollte?" Da haben Konsumenten der legalen Droge Alkohol weit weniger zu befürchten: Denn selbst wenn jemand mit 0,8 bis 1,09 Promille Alkohol am Steuer erwischt wird, fordern die Behörden noch keine Überprüfung der generellen Fahreignung. Während Alkohol am Steuer deshalb meist nur ein vorübergehendes Fahrverbot nach sich zieht, droht Haschisch-Konsumenten der dauerhafte Führerscheinentzug.
Das perfide Abschiedsgeschenk der Regierung Kohl
Zwar schränkte das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren die Anwendung einer entsprechenden Regelung ein. Doch die Regierung Kohl reagierte - als eine ihrer letzten Amtshandlungen - mit einem neuen, verschärften Passus in der so genannten Fahrerlaubnisverordnung. Seither drohte jedem Gelegenheitskiffer statt Straffreiheit die "faktische Pönalisierung" durch das Verkehrsrecht, so der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck.
Vor allem bei Jugendlichen ist der Cannabis-Genuss weit verbreitet - und nimmt, im Gegensatz zu dem anderer illegaler Drogen, ständig zu: In den vergangenen Zehn Jahren haben sich die Zahlen der Jugendlichen und Erwachsenen, die Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben, fast verdoppelt. Zuletzt haben rund 40 Prozent der zwischen 18- und 20-Jährigen mindestens einmal Cannabis konsumiert.
Dabei kann schon das erste Mal zum Fahrverbot führen - und es ist dabei unerheblich, ob jemand am Steuer erwischt wird oder nicht. Nach dem Disco-Besuch in der S-Bahn, in aus dem Ausland kommenden Zügen oder abends am Baggersee - überall schlagen die Drogenfahnder zu, und bitten oft an Ort und Stelle gezielt auch Nicht-Autofahrer zum Schnelltest per Schweißabstrich oder Urinprobe.
Bei Anzeichen von Ecstasy und anderen härteren Drogen nehmen die Beamten häufig sofort den Führerschein mit. Bei Cannabis-Verdacht wird immerhin erst ein so genanntes Drogen-Screening, meist mittels Urin- oder Blutuntersuchung, oder eine fachärztliches Gutachten verlangt, bevor es zur gefürchteten medizinisch-psychologischen Untersuchung kommt. Die Durchfallquote der Betäubungsmittel-Klientel liegt bei diesem so genannten Idiotentest bei 54 Prozent.
Wer einmal mit einer kleinen Menge auffällig wurde, gegen den setzte sich eine auch von den Gerichten abgesegnete Verdachtskette in Gang: Der Besitz gilt als Indiz für den Eigenkonsum, dieser als Verdacht für häufigeren Drogenrausch, und wer häufig berauscht ist, ist das womöglich auch beim Autofahren - und gilt damit generell als fahruntüchtig.
Entlastungsversuche sind teuer, und oft zum Scheitern verurteilt. Denn die Beweislast trägt, anders als im Strafrecht, der Konsument. Bereits ein Drogentest - drei sind die Regel - kostet an die 80 Euro, ein ärztliches Gutachten 300 Euro und mehr, folgt noch der "Idiotentest", sind inklusive Vorbereitungskursen schnell mehrere tausend Euro weg. Bei den Behörden, so der Bremer Juraprofessor Lorenz Böllinger, "herrscht eine Grenzenlosigkeit des behördlichen Ermessens". Selbst rechtsstaatliche Standards sind teilweise außer Kraft gesetzt: Gegen die Anordnungen zur ärztlichen Untersuchung gibt es kein Rechtsmittel; erst wenn der Führerschein bereits weg ist, ist eine Klage möglich. Hochschullehrer Böllinger hielt die Vorschrift deshalb schon vor Jahren für "rechts- und verfassungswidrig".
Auch die Grünen sahen "dringenden Handlungsbedarf" angesichts der "medizinisch nicht zu begründenden Ungerechtigkeit und verfassungsrechtlichen Fragwürdigkeit des derzeitigen Umgangs mit Cannabis im Straßenverkehrsrecht", so Christa Nickels, ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Doch vor allem das SPD-geführte Verkehrsministerium verweigert sich allen Reformbemühungen.
Bundesweit, so wird geschätzt, setzen sich jährlich rund 300.000 überwiegend junge Leute nach dem Genuss von Haschisch und Marihuana ans Steuer. Zwar zeigen Studien, dass Autofahrer unter Cannabiseinfluss eher zu größerer Vorsicht neigen, während Alkohol in der Regel zu einer riskanteren Fahrweise animiert. Dass aber auch Cannabis-Konsum die Fahruntüchtigkeit vermindern kann und damit auch immer wieder zu Unfällen führt, ist längst bewiesen.
Fragwürdige Flash-Back-Theorie
Bei der Annahme, dass Gelegenheitskiffer auch dann fahruntüchtig, wenn sie nicht genommen habe, stützen sich die Verkehrsbehörden auf die so genannte Flash-Back-Theorie: Sie besagt, dass auch lange nach dem Haschischkonsum zeitverzögert und unvorhergesehen sich noch einmal ein Rauschzustand einstellen kann - mit der Folge, dass ein Autofahrer fahruntüchtig wird, ohne aktuell etwas genommen zu haben.
Um zuverlässige Aussagen zu bekommen, gab das Bundesverfassungsgericht zwei rechtsmedizinische Gutachten in Auftrag - und wischten damit auch die Flash-Back-Argumentation vom Tisch. Die Theorie sei bisher in keinem einzigen Fall bewiesen. Nach heutiger Erkenntnis, so die Verfassungsrichter, bestehe deshalb in aller Regel "kein Anlass zu der Befürchtung, dass der einmalige oder gelegentliche Konsum von Haschisch bei den Betroffenen zu einer anhaltenden fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer körperlichen-geistigen Leistungsfähigkeit führt". Vor allem sei nicht anzunehmen, dass der Cannabiskonsument seine "zeitweilige Fahruntüchtigkeit nicht rechtzeitig erkennen oder dennoch nicht von der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr absehen könne".
Zwar betrifft die Karlsruher Entscheidung noch die alte Rechtslage - mit ihren grundsätzlichen Aussagen macht sie aber deutlich, dass auch nach neuem Recht nichts anderes zu gelten hat.
Kein Freibrief für Kiffer
Anwälte, die seit Jahren gegen diese Behördenpraxis kämpfen, feiern das Urteil dementsprechend als Durchbruch: "Wenn der Bezug zum Straßenverkehr fehlt", folgert der Ludwigsburger Verkehrsanwalt Michael Hettenbach, "ist eine Überprüfung mit Blick auf die Fahrerlaubnis nicht mehr zulässig."
Ein Freibrief ist dies allerdings nicht, das machten die Verfassungsrichter in einer weiteren Entscheidung deutlich: Wenn der konkrete Verdacht bestehe, "dass der Betroffene den Konsum von Cannabis und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag", sei gegen eine Drogenuntersuchung nichts einzuwenden. In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Polizisten bei einer Kontrolle eines Autofahrers in dessen Aschenbecher einen angerauchten Joint gefunden.
Aktenzeichen: 1 BvR 2062/96, 1 BvR 2428/95 (Die Entscheidungen sind auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts einsehbar.)
[ 12-07-2002: Beitrag editiert von: ochsenprofessor ]
[ 12-07-2002: Beitrag editiert von: ochsenprofessor ]
Ein Problem ist, dass nach wie vor nicht klar ist, was mit "gelegentlich" oder "regelmässig" gemeint ist und man konnte sich noch nicht dazu durchringen, klar zu machen, dass zu einem Führerscheinentzug/einem Fahrverbot zweifelsfrei nachgewiesen werden muss, dass der Fahrer akut berauscht ist.
Selbst ein regelmässiger Cannabis-Konsument ist sehr wohl in der Lage, zwischen Konsum und Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen genauso wie jemand, der jeden Abend seine Flasche Bier oder sein Glas Wein trinkt, aber nur nüchtern Auto fährt.
Es wäre begrüssenswert gewesen, wenn das Gericht dafür gesorgt hätte, dass vom Gesetzgeber analog zur 0.8 Promille-Grenze ebenfalls eine THC-Blutkonzentrationsmengen-Grenze entwickelt wird. Wird man von der Polizei erwischt und besteht Anlass zur Annahme, dass der Fahrer berauscht ist, liesse sich das in einem Bluttest einwandfrei beweisen. Der auch in diesem Verfahren angehörte Sachverständige Prof. Berghaus schlug bereits 1997 eine Grenze von 8-10ng THC/ml Blutplasma als Äquivalent zur 0.8 Promille-Grenze vor.
Aber das Gericht hatte hier nicht über die Ungleichbehandlung von Cannabis und Alkohol zu entscheiden, das steht auch explizit im Urteil - allerdings ist das schon ein ordentlicher Seitenhieb in Richtung Gesetzgeber.
Nach wie vor wird es dennoch möglich sein, die Cannabiskonsumenten die Fahreignung abzusprechen, wenn man beispielsweise zweimal innerhalb kurzer Zeit mit einer geringen Menge angetroffen wird oder wenn eine Haaranalyse beweist, dass bereits über einen langen Zeitraum Cannabis konsumiert wurde. Das gestrige Urteil schützt lediglich denjenigen, der das erste Mal mit einer geringen Menge erwischt wird, vor übermässigem Behördeneifer!
Ausserdem (WICHTIG!) gilt das Urteil nur für Fälle vor dem 1.1.1999!! In einem Statement zum gestrigen Urteil macht unsere liebe Drogenbeauftragte der Bundesregierung klar, dass nun erstmal (bis Ende des Jahres) geprüft werden wird, ob dieses Urteil überhaupt Auswirkungen auf die seit 1.1.99 geltenden Regelungen hat - mir schwant, man will Zeit gewinnen um eine andere Hintertür-Bestrafung zu entwickeln.
Was die Dame von dem Urteil hält erkennt man daran, dass sie zuerst den anderen Fall erwähnt, in dem ein Autofahrer mit nem frischen Joint-Impel im Aschenbecher erwischt wurde, bei dem der Führerscheinentzug rechtens war.
Und doch ist das Urteil gut, denn zur Begründung wurden jetzt erstmals Gutachten und Stellungnahmen von Experten hinzugezogen, die erst nach dem Cannabisurteil von 1994 erstellt wurden. Diese wurden allesamt vom Gesetzgeber bisher ignoriert oder (wie bei der Kleiber-Studie) in der Kernaussage umgekehrt. Da diese Untersuchungen aber jetzt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden sind, muss auch der Gesetzgeber diese als objektive Erkenntnisse hinnehmen und früher oder später auch bei einer Neubewertung von Cannabis im BtmG berücksichtigen, das kann aber noch ein paar Jahre dauern und wird wohl ebenfalls den gerichtlichen Weg erfordern - Mun-Ju Kim ist aber schon auf helbem Weg nach Karlsruhe.
Daher (@flummifem) sollte man sich trotz des Urteils nach wie vor nicht zu sicher fühlen und wenn´s geht eben nicht ganz locker mit nem Kanten in der Tasche spazieren gehen.
Falls doch etwas passiert und ihr angehalten werdet, man etwas findet und ihr definitiv NICHT berauscht seid, dann lasst euch zukünftig auf jeden Fall im Polizeiprotokoll bestätigen, dass (am Steuer) keinerlei Anzeichen für einen akuten Rausch vorliegen, dass (wenn Fussgänger) ausdrücklich kein Bezug zum Strassenverkehr besteht und macht um Gottes Willen niemals gegenüber der Polizei Angaben zu euren Konsumgewohnheiten - Name, Adresse, das reicht!!!
Sollten derzeit bei jemandem von euch Aufforderungen zum Drogenscreening anstehen, dann empfiehlt der Rechtsanwalt Michael Hettenbach, der die aktuelle Verfassungsklage vertreten hat, dass man das Drogenscreening verweigern sollte, indem man sinngemäss schreibt:
"Sie haben angeordnet, das ich Drogenscreenings beizubringen habe, obwohl ich nicht im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluß aufgefallen bin. Wie sich aus der jetzt veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2002 (Aktenzeichen: 1 BVR 2062/96) ergibt, ist die Anordnung rechtswidrig. Ich bitte daher mich unter Berücksichtigung der bindenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut zu bescheiden."
@wuerschtl:
Dein Problem ist, wenn ich mich da recht entsinne, dass Du der Polizei gegenüber zugegeben hast, dass Du schon länger kiffst. Das könnte gut für die Einstufüng als "regelmässiger Konsument" reichen und ein Screening/eine MPU oder sogar einen Führerscheinentzug rechtfertigen!
Du solltest dringend einen Anwalt aufsuchen und mit ihm beraten, ob es in der jetzigen relativ rechtunsicheren Situation Sinn macht, eine mögliche Aufforderung zum Screening wie oben beschrieben zu verweigern. Auch solltest Du ihn fragen, ob Du Deine Aussage bei der Polizei eventuell zurückziehen kannst. Wenn ja, dann solltest Du das auch so schnell wie möglich machen, solange Dich die Führerscheinstelle noch nicht in der Mangel hat. Ein Beratungsgespräch kostet nicht die Welt, aber es wäre nicht schlecht, wenn Du Bescheid weisst. Wenn ein Screening gemacht wird, musst Du da nämlich innerhalb von 3 Tagen hin, ziemlich wenig Zeit um einen Anwaltstermin zu machen, eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln, zu widersprechen usw...also lieber nicht auf die lange Bank schieben!
Schönen Samstag noch allerseits
Noch ein paar Links dazu:
Das Urteil im Wortlaut
Kommentar von RA Michael Hettenbach
Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung
Ausserdem gab´s dazu Artikel in allen grossen Tageszeitungen....
Das war mein größtes Problem, alles weitere ist Luxus, wäre aber trotzdem schön *freu*