Ich bin leidenschaftlicher GO-Spieler.So sieht es aus: http://mathworld.wolfram.com/gifs/go-game.jpg
Hier etwas über das Spiel an sich und zur Historie:
GO, Spiel der ungezählten Möglichkeiten
Von: Tim Ward
Bereits im alten China maß man an dem rechteckigen Brett Intellekt und Willenskraft. Bis heute hat das Spiel seine Anziehung bewahrt.
Am 6. August 1945 setzten sich in einem Vorort von Hiroschima Haschimoto Utaro und Iwamoto Kaoru zusammen, um ihre zweite Partie um den japanischen Titel des Honibo, des Go-Meisters, zu Ende zu bringen. Während des ersten Spiels eine Woche zuvor im Zentrum von Hiroschima hatte keiner der beiden die amerikanischen Fliegerangriffe beachtet, und sie hatten sich geweigert, einen Luftschutzraum aufzusuchen. Als der Polizeichef von dem Match erfuhr, hatte er dessen Fortsetzung in der Stadt verboten. Am Schlußtag der zweiten Partie trat Haschimoto hinaus in den Garten und sah einen Blitz und eine himmelwärts wachsende Pilzwolke. Eine Druckwelle fegte durchs Haus, Fensterscheiben barsten. Aber es war das Endspiel, und wieder setzten die Teilnehmer die schwarzen und weien Steine auf das Brett. Haschimoto siegte mit fünf Punkten. Erst bei Einbruch der Dämmerung, als sie die Überlebenden aus der zerstörten Stadt strömen sahen, erkannten die beiden Männer, daß sich während ihres Spiels ein Atominferno ereignet hatte.
Das Brettspiel Go verlangt genausoviel Konzentration, geistiges Durchhaltevermögen und schiere Willenskraft wie Schach und ist ein ebenso unerbittlicher Kampf unter Aufbietung allen strategischen und analytischen Könnens. Die Züge werden mit Gewaltbegriffen benannt. Es geht um Gebietsinvasion, Angriff, Verteidigung, um das Gefangennehmen und Schlagen von Steinen, um "lebende" und "tote" Steine. Gleichwohl verquickt Go Kampfeslust mit Kunst. "Dieses Spiel von Schwarz auf Weiss, Weiss auf Schwarz wird zur schopferischen Kunst", schrieb der japanische Nobelpreistrager Yasunari Kawabata. "Es hat geistigen Fluß und musikalische Harmonie .... Man kann ein Meisterwerk von einer Partie durch Mangel an Gespür für die Gefühle des Gegners verlieren." Für die Romantiker in der Go-Welt haben Sieg oder Niederlage keine Bedeutung: ihnen geht es um die Suche nach der Wahrheit auf dem Brett.
Man schätzt die Zahl der leidenschaftlichen Go-Spieler in Japan auf sieben bis zehn Millionen. Die 440 hauptberuflichen Go-Spieler des Landes bestreiten jedes Jahr uber 30 Turniere. Als Geldpreis locken bei einer Meisterschaft bis zu 32 Millionen Yen (etwa eine halbe Million Mark). In China, dem Mutterland des Go, wurden die Spieler wahrend der Kulturrevolution als "Interlektuelle" verfolgt. Trotzdem erfreut sich Go in der Volksrepublik China heute großer Beliebtheit. Die Zahl der Spieler stieg in den letzten Jahren von einer auf zehn Millionen - vor allem dank dem chinesischen Superstar Nie Weiping, der regelmäßig japanische Spitzenprofis vernichtend schlagt. Noch popularer ist Go in Sudkorea. Dort spielt ungefähr jeder vierte Einwohner des Landes, und 118 Profis kämpfen um 17 Titel. Taiwan hat ungefähr 300 000 Spieler, darunter 15 Profis, Hongkong uber 20 000, Singapur uber 4000. Auf den Philippinen und in Thailand bestehen kleine Amateurvereine. Im 20. Jahrhundert hat sich Go von Asien uber die ganze Welt verbreitet. In Deutschland wird Go seit 1920 gespielt. Heute gibt es bei uns an die 30 000 Spieler und rund 100 Klubs. Die Spieler messen sich in einem Dutzend Pokalturnieren und den Deutschen Meisterschaften. Im Mai 1993 nahmen 40 Lander - darunter auch Deutschland - an der 15. Go-Amateurweltmeisterschaft in Fukuoka in Japan teil. In den Vereinigten Staaten soll es an die 80 000 Spieler geben, in Europa weit über 100 000.
Einfachheit und Harmonie. Go zu erlernen dauert eine Stunde, es zu meistern ein ganzes Leben. Das Spiel kennt nur vier Grundregeln, aber da diese Regeln kaum Beschränkungen auferlegen, ergeben sich nahezu unendlich viele Möglichkeiten - so viele, da selbst große Computer in Schwierigkeiten kommen. Kein Wunder, ein Schachbrett hat nur 64 Felder, das Go-Brett aber 361 Schnittpunkte, auf die die Steine gesetzt werden können. So ergibt sich eine Mindestzahl von Kombinationsmöglichkeiten in der Höhe einer zehn mit 630 (sechshundertdreißig!) Nullen. Allein für die ersten beiden Züge gibt es 129960 mögliche Kombinationen, für die ersten drei Zuge über 46 Millionen.
Ziel im Go ist die Eroberung von Gebiet. Zwei Spieler setzen abwechselnd je einen Stein auf das Brett, zuerst in die Ecken und an den Rand, dann so, daß die Steine Ketten bilden, die Gebiete einschließen. Einmal gesetzte Steine dürfen nicht mehr bewegt werden. Vom Gegner vollständig umzingelte Steine sind gefangen. Alle Steine haben denselben Wert, ein Stein allein ist schutzlos. Steine in geschlossener Aufstellung geben ein diszipliniertes Heer ab, das feindliche Stellungen sprengen kann. Man dringt in das Gebiet des Gegners ein, um dessen Steine einzuschließen. Im Schach verliert gewöhnlich derjenige Spieler, der als erster einen Fehler macht. Beim Go kann man sich nach einem Verlust zurückziehen und an einer anderen Front Kräfte sammeln, um den Gegner schließlich zu uberwältigen. Ein Spieler kann um des Sieges willen ganz bewußt Gruppen von Steinen opfern. Zum Schluß der Partie, vor dem Zählen, setzt der Spieler seine gefangenen Steine in das Gebiet des Gegners. Sieger ist, wer das meiste unbesetzte Gebiet hat.
Wie im Spiel selbst, so sind auch beim Brett und bei den Steinen Einfachheit mit Harmonie verquickt. Traditionellerweise sind die weien Steine rautenformige Scheiben aus Muschelschalen, die schwarzen bestehen aus Schiefer. Ein Standardspiel ohne Brett kostet in Japan heute um die 10 000 Yen, Plastik- oder Glassteine jedoch sind billiger. Die wertvollsten Go-Bretter sind 17 Zentimeter dick und aus dem Holz 700 bis 1000 Jahre alter Kayabaume (Nueibe). Solche Bäume sind rar, und Kayabretter bester Qualität kosten um die 15 Millionen Yen.
Krieg ohne Blutvergießen. Das Go-Spiel faszinierte mich sofort, als ich 1987 bei japanischen Freunden in der Wohnung zum erstenmal ein paar dieser glatten schwarzen Steine in die Hand nahm. Pater Schiotsuka sprach kein Englisch, ich konnte kaum Japanisch, und doch bot er mir an, mir das Spiel beizubringen. Wir saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Fuboden, zwischen uns das Brett. Da ich der schwachere Spieler war, ließ mich Pater Schiotsuka als Vorgabe vier schwarze Steine setzen. Dann klemmte er sich einen weißen Stein zwischen Zeigefinger und Mittelfinger - die einzig richtige Spielweise - und setzte ihn mit einem entschiedenen Klick aufs Brett. Trotz meiner Vorgabe breiteten sich die weißen Steine rasch uber das Brett aus und bedrängten meine schwarzen. In der Nacht träumte ich nur noch von weißen Steinen, die schwarze umzingelten.
Inzwischen bin ich süchtig nach Go. In der Wechselwirkung der Steine, der Einzigartigkeit jedes Zuges bei dennoch wiederkehrenden Mustern sehe ich die feinsinnige, unaufdringliche fernostliche Philosophie am Werk. Aber vor einem Go-Brett vergesse ich mich. Ich keuche, schwitze, schlage verzweifelt die Hande vors Gesicht. "Du verwandelst Dich in Mister Hyde", sagte mir ein Beobachter. "Ich erkenne Dich nicht wieder!"
"Go ist wie das Leben", finden manche Spieler. Ob Sie ängstlich, unbesonnen, rücksichtslos, ehrgeizig oder stur sind, zeigt sich darin, wie Sie Ihre Steine setzen. Auch wenn Sie beim Spiel kein Wort reden, das Setzen der Steine verrät, was Sie denken.
Der Ursprung des Go verliert sich im Nebel der Zeit, doch zeugen fur die lange Geschichte des Spiels chinesische klassische Werke wie "Gesprache des Konfuzius, Ch'un Ch'iu" (Fruhling und Herbst) und (Lehren des) "Menzius", die alle nicht vor dem 6. vorchristlichen Jahrhundert entstanden sind. Nach allgemeiner Ansicht aber muß das Go mehrere hundert Jahre alter sein - 3000, wenn nicht 4000 Jahre, womit es das älteste strategische Brettspiel wäre. Angeblich haben chinesische Hofastrologen in alter Zeit aus Brett und Steinen die Zukunft gedeutet. Kriegsherren benutzten es, um militarische Strategien auszuhecken. Ihre hohe Meinung vom Go-Spiel veranschaulicht eine Anekdote aus der Jin-Dynastie (265 bis 420 n.Chr.). Xian An befand sich im Krieg mit seinem Neffen Xie Xuan. Nach vielem Blutvergießen einigten sie sich darauf, die Entscheidung herbeizuführen, indem sie gegeneinander Go spielten.
Der Einfuhlsamere gewinnt. Go kam wahrscheinlich im 5. oder 6. Jahrhundert über Korea nach Japan. Vom japanischen Hof und den Tempeln aus gelangte es im Lauf von Jahrhunderten auch in die Gesellschaftsklassen, die die Kriege führten und Soldaten stellten. Die vielleicht bekanntete Partie in der Geschichte des Go lieferten sich 1578 der Monch Nikkai vom Honibo-Pavillon und der kaiserliche Feldherr Oda Nobunaga. Nobunaga konnte den Mönch nicht einmal mit einer Vorgabe von fünf Steinen besiegen und pries ihn als "Meijin", Meister.
Im frühen 17. Jahrhundert wurden vier Go-Schulen gegründet. Eine von ihnen leitete Nikkai. In den nachsten 300 Jahren versuchten diese konkurrierenden Schulen einander in Wettkampfen zu übertreffen. Durch staatliche Stipendien abgesichert, arbeiteten die besten Spieler daran, Technik und Theorie des Go auf beispiellose Höhen zu führen. Im 20. Jahrhundert traten in Japan allmählich Turnierpreise und Unterrichtsgebühren an die Stelle der staatlichen Finanzierung. Die meisten Profis bestreiten ihren Unterhalt selbst - durch Lehrpartien mit Amateueren. Ein 80-Minuten-Spiel gegen einen Schodan (niederer Dan-Grad) kostet rund 7000 Yen, eines gegen einen Spitzenmann vom 9. Dan 15 000 Yen. Aber übers Geld hinaus bietet der Beruf des Go-Spielers ein abwechslungsreiches Leben in Freiheit. "Wir können uns unser Leben einrichten, wie es uns gefällt", sagt Nakajama Norijuki, 6. Dan.
Gute Go-Spieler analysieren in der Regel drei bis vier Züge im voraus. Ihnen ist das Spiel so vertraut, da sie imstande sind, nach einer Partie mit vielleicht 300 Zügen die Steine vom Brett zu wischen und das ganze Zug um Zug zu rekonstruieren. Voraussicht ist wichtig, und die Achtung vor der Intelligenz des Gegners schafft ein feines Gleichgewicht, das dem Go auch die Bezeichnung "Kunst der Harmonie" eingetragen hat.
Die Leichtigkeit des Spiels macht den Reiz des Go aus. Die Spieler wehren ab und stürmen vor, weichen Fallen aus und wahren das Gleichgewicht, indem sie eine Gesamtstrategie entwickeln. Eine Spielweise, die geschlossene Formationen aufbaut, deren Einfluß uber das ganze Brett ausstrahlt, verrät Konner. Dagegen gilt als nicht kunstgerecht, wenn die Steine weit auseinanderliegen, so da sie sich gegenseitig nicht stützen können, oder in Gruppen beieinanderkauern, so da sie zu einem leicht angreifbaren Ziel werden.
Vielleicht ist es das Kreative am Go, das die Computer überfordert. "Alle Programme, die ich kenne, machen in jedem Spiel ein paar gräßliche Zuge", sagt David Erbach, der Gründer und Herausgeber der Zeitschrift "Computer Go". "Ein Algorithmus mußte verstehen, was er macht. Im das beizubringen ist aber schwer, und hier haben wir vielleicht das Hauptproblem vor uns."
Go-Profis bezweifeln, da ihr mystisches, auf Intuition beruhendes Kampfspiel sich jemals auf Bits und Bytes reduzieren lassen wird. Wahrscheinlich wird die Welt nie einen Computer als Go-Meister erleben. Dennoch: Was fur eine Rechenanlage wurde das wohl sein? Wurde sie lieber kapitulieren als gegen ihre künstlerischen Grundsätze verstoßen? Wurde sie eine "Antenne" fur die Gefuhle des Gegners haben? Oder wurde sie sich wie ich in einen knurrenden Mister Hyde verwandeln?
Quelle: Das Beste aus Reader's Digest, Nr.4, 1994
Hier eine kleine simple Version für den Computer zum Downloaden: http://www.smart-games.com/igowin.exe