This is topic Watergate - schließt... Und Clubs werden ... irrelevant? in forum Clubs, Events, Bars & Partys at technoforum.de.


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https://forum.technoforum.de/cgi-bin/ultimatebb.cgi?ubb=get_topic;f=1;t=023055

Geschrieben von: chris (Usernummer # 6) an :
 
Ich war dort noch nie, aber der Name 'Watergate' ist selbstredend selbst mir aus dem Süden ein Begriff. Und weil das natürlich auch kleine Wellen schlägt, wurde die Schließung des Watergate soeben sogar im Newsletter vom Harry Klein erwähnt:

[hand] http://water-gate.de

"These are tough times for Berlin’s clubs, and since Covid the business hasn’t really picked up for many. Whether it’s high rents, war, inflation, rising costs, or simply a change in the nightlife dynamics of the next club generation and a shift in the relevance of club culture in general – the operation of a venue like Watergate, in such a prime location, with the financial pressure that comes with it, is increasingly becoming a balancing act with an uncertain future. The days when Berlin was flooded with club-loving visitors are over, at least for now, and the scene is fighting for survival.

With a heavy heart, we have decided to end our club operations at Watergate, located at the Oberbaumbrücke, at the end of the year and not to renew our lease. From an economic perspective and an honest assessment of the current situation for clubs in Berlin, we believe this is the only sensible and responsible decision for us.

Looking back, we’ve experienced and actively shaped exciting years of this scene, helping to put Berlin on the map as one of the top nightlife destinations in the world. Watergate has been at the forefront of the international club scene for 22 years, quickly becoming a staple for guests from all over the globe. And this is how we want to step away, with grace. In the coming months, until the end of the year, we’ll be hosting a series of top-tier events. No artist will miss the chance to celebrate one last sunrise in the club with us, no collective will skip the opportunity for one final gathering, and no guest will be denied the last chance for a memorable night at Watergate.

We especially would like to thank our guests, who from Berlin and around the world, were filling Watergate week after week with their diverse and enthusiastic energy. A club is especially made by its guests, and for over 22 years, we’ve had many, and now we invite them for one last dance at the Oberbaumbrücke. We’re looking forward to the upcoming events and our 22nd birthday celebration, which will kick off a series of high-profile Farewell Watergate events, carrying us all through the remaining months until the final closing on New Year’s Eve, alongside all our friends and residents.

We’re bowing out, and we’re doing it with style, because as they say:

The party is over – long live the party!
"

Was mich hierbei interessieren würde, wäre eine Erläuterung dieses Grunds und wie ich mir das nun vorzustellen habe bzw. was damit gemeint ist?

"(...) shift in the relevance of club culture in general (...)"
 
Geschrieben von: SpeedyJ (Usernummer # 984) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:

Was mich hierbei interessieren würde, wäre eine Erläuterung dieses Grunds und wie ich mir das nun vorzustellen habe bzw. was damit gemeint ist?

"(...) shift in the relevance of club culture in general (...)"

naja, clubs werden immer weniger besucht, sagt man. die kids gehen stattdessen lieber 1-2 mal im jahr auf ein festival...
die richtig großen namen, die das publikum anziehen, findet man ohnehin fast ausschließlich nur noch auf internationalen festivals (abgesehen von dem ein oder anderen prestige-club marke berghain oder amnesia).
 
Geschrieben von: bgoeni (Usernummer # 3203) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: SpeedyJ:
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:

Was mich hierbei interessieren würde, wäre eine Erläuterung dieses Grunds und wie ich mir das nun vorzustellen habe bzw. was damit gemeint ist?

"(...) shift in the relevance of club culture in general (...)"

naja, clubs werden immer weniger besucht, sagt man. die kids gehen stattdessen lieber 1-2 mal im jahr auf ein festival...

Und den Rest des Jahres sitzt man dann zu Hause rum am We? Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sich ein Club wie das Watergate an Kids richtet, sondern eher an ein eher älteres Publikum und auch Touristen, ich war aber auch schon viele Jahre nicht mehr dort.
 
Geschrieben von: SpeedyJ (Usernummer # 984) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: bgoeni:
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: SpeedyJ:
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:

Was mich hierbei interessieren würde, wäre eine Erläuterung dieses Grunds und wie ich mir das nun vorzustellen habe bzw. was damit gemeint ist?

"(...) shift in the relevance of club culture in general (...)"

naja, clubs werden immer weniger besucht, sagt man. die kids gehen stattdessen lieber 1-2 mal im jahr auf ein festival...

Und den Rest des Jahres sitzt man dann zu Hause rum am We? Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sich ein Club wie das Watergate an Kids richtet, sondern eher an ein eher älteres Publikum und auch Touristen, ich war aber auch schon viele Jahre nicht mehr dort.
Man hat sich während Covid andere Beschäftigung gesucht, Musik wird anders konsumiert, digital hat einen extrem großen Schritt gemacht. Ein durchschnittlicher Clubgänger geht drei, vier Jahre aus, dann ist er mit dem Studium fertig oder mit was auch immer, und es kommt die nächste Generation. Die Generationensprünge in diesem Business sind schnell. Da machen zweieinhalb Jahre geschlossene Clubs schon etwas aus.
(...)
Und wegen der Inflation haben die Leute weniger Geld. Den vorher so kritisierten Billigtourismus gab es dann auch nicht mehr, die Airlines haben am BER reihenweise Strecken gestrichen. Und weil es mittlerweile eine größere Sensibilität in Bezug auf Kurzstreckenflüge gibt, bleibt man lieber zu Hause und fährt Fahrrad. Für einen Club, der vorher ein Magnet für Menschen aus ganz Europa war, ist das nicht gut.
(...)
Heute inszenieren sich die Menschen in den sozialen Medien und landen ohne das Sprungbrett Club auf den großen Bühnen, zum Beispiel bei Festivals. Bei Paul Kalkbrenner am Wochenende waren 20.000 Leute in der Waldbühne, die haben alle eine Karte gekauft.


[hand] https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/berliner-technoclub-watergate-schliesst-interview-mit-clubchef-wombacher-li.2254516
 
Geschrieben von: chris (Usernummer # 6) an :
 
Spannend, weil es so gar nicht meinem Eindruck entspricht:

Nach Ende der Pandemie war hier nachts so viel Leben auf den Straßen, wie ich das zuletzt zur deutschen WM-Austragung gesehen hatte, vor Bars und Restaurants und Clubs waren den ganzen Sommer über Schlangen, wie das so noch nie, wirklich noch nie, erlebt hatte: Ich erklärte mir das damit, dass es diesen extremen 'Nachholbedarf' gab und ging anscheinend fälschlicherweise davon aus, dass das noch immer so sei, zumal:

Das Geld sitzt bei vielen nicht mehr 'so locker' und Ticket-Preise für Festivals und Konzerte sind mir teilweise schon suspekt befremdlich hoch: Wenn es dann nicht nur ein kleines Festival für einen Abend ist, muss mancher sich bestimmt überlegen, ob es zwei Wochen Urlaub an der Ostsee sein werden oder ein Wochenende auf einem Festival.

Wahrscheinlich ist mein Eindruck auch von y'tube-Clips wie etwa den Boiler-Room-Events verzerrt, die noch immer berstend voll aussehen. Klar, 'in is wer drin is'-System und die Influencer und Socialmedia-Heinis:innen wollen da natürlich alle hin, was aber immerhin zeigen würde, dass es also durchaus Arten von Club-Abenden gibt, die sehr, sehr, sehr gut besucht sind.

Weil ich auch Konzerte erwähnte, an anderer Stelle schilderte ich mein Leid, dass ich wenige Tage nach der Ankündigung der neuen Konzertreihe von Nils Frahm keine Karten mehr bekam: Ich wäre sogar geneigt gewesen, innerhalb Deutschlands zu reisen, aber da war nix - alles 'sold out'. Erstaunlich, dass es _jetzt_ für einige seiner Konzerte im Oktober nun doch Karten gibt - und doch waren viele, viele, viele seiner Veranstaltungen im gesamten Sommer schneller ausverkauft, als ich klicken konnte.
Gleiches passierte uns auch am Wochenende, als hier im Haus der Kunst eine Klanginstallation war, ein ein-stündiger Event mit experimenteller Musik: Keine Chance, da Karten zu bekommen. Als ich den 'ad' auf Insta sah, wollte ich vor Wochen Karten kaufen: No way, nur noch Abendkasse.

Der Vergleich dürfte wohl ebenso wie der mit dem Broiler-Room hinken, aber vergangenen Sonntag war hier in der Pinakothek der Moderne wahnsinnig viel los. Erstaunlich viel. Aber der Vergleich mag hinken, weil sonntags ein moderater Eintrittspreis von lediglich 'nem Euro verlangt wird und bei regnerischem Wetter das für viele 'ne tolle Option ist. War es auch.

So viel zu meinem Eindruck, dass die Leute nicht mehr oder nicht mehr so oft in Clubs wollen.

Dass es _andere Faktoren_ gibt, wie etwa stets steigende Preise für Miete und Strom und Heizung und es schwer ist, Personal zu finden, lasse ich mir alles eingehen. Aber dass stetig die Lust auf Clubs abnehmen würde, überrascht mich tatsächlich.
 
Geschrieben von: SpeedyJ (Usernummer # 984) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:
Spannend, weil es so gar nicht meinem Eindruck entspricht:

Nach Ende der Pandemie war hier nachts so viel Leben auf den Straßen, wie ich das zuletzt zur deutschen WM-Austragung gesehen hatte, vor Bars und Restaurants und Clubs waren den ganzen Sommer über Schlangen, wie das so noch nie, wirklich noch nie, erlebt hatte: Ich erklärte mir das damit, dass es diesen extremen 'Nachholbedarf' gab und ging anscheinend fälschlicherweise davon aus, dass das noch immer so sei

darauf geht der watergate-chef in dem interview auch ein:
Es gab zunächst ein Nachholbedürfnis, das hat sechs, sieben Monate angehalten.


Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:
Das Geld sitzt bei vielen nicht mehr 'so locker' und Ticket-Preise für Festivals und Konzerte sind mir teilweise schon suspekt befremdlich hoch

dafür spart man sich die summe an club-tickets (die sicher auch teurer geworden sind).
man gibt dann halt 1-2 mal im jahr geld für ein überteuertes festival-ticket aus, hat dann aber an einem abend alle "relevanten" djs und acts gesehen, für die man sonst etliche clubbesuche benötigen würde (und die man heute, wie gesagt, eh kaum noch in clubs hierzulande zu sehen bekommt).
oder man gibt das geld für spezial-events aus, wie eben boilerroom, was ja eher festival/konzert-charakter hat, auch wenn es in einer club-location stattfindet.
 
Geschrieben von: chris (Usernummer # 6) an :
 
@SpeedyJ,
merci, das Interview muss ich mir noch durchlesen, bin noch nicht dazu gekommen.

Wirklich interessant, über diesen Wandel zu lesen - und ihn besser zu verstehen, denn natürlich gab's viele Künstler:innen, die ich sehen wollte und entsprechend gezielt zu einem Event bin - würde aber aus heutiger Perspektive behaupten, dass es eher selten der Fall war. Denn einerseits sind wir früher sowieso jedes Wochenende in die Clubs gegangen, andererseits gab's da ein gewisses Gefühl der Vertrautheit und des Vertrauens, so dass man in den Club ging und einfach wusste, dass gute Musik gespielt wird - egal, wer spielt. Zumal es ja nicht nur um die Musik ging, man hat stets überall Freunde und Bekannte und auch andere 'Aktivisten' getroffen, die in irgendeiner Art und Weise in unsere 'Szene' beteiligt waren. Der Club also als Begegnungsstätte, nicht nur als Ort, um gezielt sich ein oder zwei oder drei Stunden ein Set anzuhören.

Es wäre für mich unverständlich, wenn der Club aussterben würde und ich kann und will und mag mir das irgendwie noch immer nicht vorstellen - dass einzelne Clubs schließen / schließen müssen, das ist nachvollziehbar, da es faktisch sehr viele Faktoren gibt, manche sind uns auch nicht bekannt.
 
Geschrieben von: soulstar (Usernummer # 5668) an :
 
spannend zu lesen...
die welt dreht sich einfach immer weiter und ich bin hier und da verwundert wie jüngere mit themen umgehen... aber man kann auch nicht alle über einen kamm scheren. es gibt auch immer noch feierbrigaden und das leben spielt sich ja auch in studenten städten usw ab. btw. haben sich ja auch Studienzeiten sehr verkürzt (Bachelor), die Studenten wechseln so schnell das sich kaum eine richtige Szene bilden kann.

insgesamt wird aber die lage ernster und auch ich merke das ich das geld eher zusammenhalte oder in werthaltige dinge umsetze. oder sehr gezielt und überlegt mir/uns was gönne. aber einfach so rausballern war gestern.
 
Geschrieben von: chris (Usernummer # 6) an :
 
@soulstar: Ja, es wird zwar viel gespart und gespart werden müssen, zugleich aber sehe ich beim Stadtspaziergang, dass es noch immer viele Menschen gibt, die hier in den Luxus-"Boutiquen einkaufen, darunter auch viele recht junge Damen, die etwa mit Louis Vuitton-Tüten durch die Stadt dackeln, um nur ein Beispiel zu nennen. Und da ist vermutlich nix Billiges drin.

Habe spaßeshalber mal das Google gefragt, ob die Clubs am Sterben wären und das erste Ergebnis ist direkt ein Reddit-Post:
"Is nightlife dying/changing?"
[hand] https://www.reddit.com/r/DJs/comments/1d0jr5e/is_nightlife_dyingchanging/

Absolut lesenswerter Dialog, der u.a. auch auf die Superstar-DJs eingeht, leere Clubs am Wochenende und dass anscheinend tatsächlich Festivals sich noch immer einer großen Nachfrage erfreuen.
 
Geschrieben von: dauerwellen (Usernummer # 4984) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: chris:
@soulstar: Ja, es wird zwar viel gespart und gespart werden müssen, zugleich aber sehe ich beim Stadtspaziergang, dass es noch immer viele Menschen gibt, die hier in den Luxus-"Boutiquen einkaufen, darunter auch viele recht junge Damen, die etwa mit Louis Vuitton-Tüten durch die Stadt dackeln, um nur ein Beispiel zu nennen. Und da ist vermutlich nix Billiges drin.


Ich habe dazu mal eine Reportage im Radio gehört.

Das sind die Poser Tricks wegen stark ausgeprägten Geltungsbefürfnis.

Ist scheinbar eine breit verbreitete Neigung.

- Klamotten online kaufen, einmal posen und dann
zurückschicken
- Teure Tüten ergattern, damit durch die Stadt
laufen und posen
- teures Auto mieten für 2 Stunden, über die
Düsseldorfer Kö fahren und posen.

Zum Thema, ich dachte immer das dies auch ein bisschen das Ende der Preisspirale nach oben ist.

Teure Dj's und das Vernachlässigen der Residents.
Auch kam es mir so vor, als ob der echte Underground wieder auflebt. Selber Partys an den verrücktesten Stellen zu veranstalten. Das sind dann eben Trends. Aufleben und Ableben. Das gab es so doch scon immer. Nur die Gründe sind eben vielfältig.
 
Geschrieben von: Hyp Nom (Usernummer # 1941) an :
 
zuletzt vor langen jahren Andrew Weatherall im Watergate erlebt, der ja nicht mehr unter uns weilt - wie nun bald leider auch der club.

von dem vorteil, den berlins subkultur durch die wende hatte, ist nach 35 jahren von der gentrifizierung wieder viel einkassiert worden. beschleunigt durch die hausgemachten krisen mit beispielloser staatlicher geldverbrennung speziell in den letzten jahren.

Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: dauerwellen:

- Klamotten online kaufen, einmal posen und dann zurückschicken
- Teure Tüten ergattern, damit durch die Stadt laufen und posen

trotzdem ständige rekordumsätze bei luis vuitton, die wie es heißt auf europa und asien fußen. ob noch in deutschland, sei dahingestellt.

https://fashionunited.de/nachrichten/business/lvmh-schliesst-2023-mit-rekordresultaten-ab/2024012554964
 
Geschrieben von: chris (Usernummer # 6) an :
 
Von der 'Subkultur' hier in München ist nicht mehr viel übrig geblieben, ich bin in ein paar Facebook-Gruppen für angeblich semi-legale Parties in Off-Locations und das einzig Wahre, das sind die Off-Locations: Wenn ich dann aber über ein Online-Portal Tickets im Vorverkauf ergattern muss, dann hat das mit Subkultur nicht viel zu tun, unabhängig von etwaigen Annehmlichkeiten von digitalen Vorverkaufsmöglichkeiten. Bin auch vor zwei oder drei Jahren zufällig an 'ner "Protestaktion" vorbeispaziert, als dafür demonstriert wurde, ungenutzte Räume für Events zu nutzen: Das war ein kleiner, abgehalfterter Bauwagen mit ein paar LED-Leuchten, schlechter Musik, wenig Publikum und die Reden hätte auch ChatGPT schreiben können. Immerhin, man hat es versucht.
Wenn ich dahingehend zurückdenke an 'unsere Anfangstage', da gab's in München den Club Godot, Klub Soda, Instant (aus dem u.a. auch Zombie Nation hervorging), es gab illegale Events mit Reggae, unsere x-letter und c*cksonweed-Events, die FET-Events, die dann auch legale Sachen machten, und noch so allerhand andere 'Gruppen', so dass prinzipiell jedes Wochenende irgendwo irgendetwas passierte, das fühlte sich nach Aufbruchstimmung an - aber die Abnahme solcher Veranstaltungen sehe ich ja schon seit mehr als 10 Jahren, als ob die Stadt schlafen würde.
Wenn sich dieses Desinteresse der fehlenden Aktivisten auch spiegelt im allgemeinen Desinteresse der Clubkultur, dann dürfte hier in diesem Thread mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit stecken.

Was Konsum betrifft, ne, vielleicht ticken Städte wie München oder Hamburg anders, aber hier laufen nicht gerade wenige Leute mit LV-Sachen oder Stone-Island-Pullis für 600,- EUR rum, was ab heute Mittag auch auf der Wiesn ausgegeben wird, das sind unvorstellbare Summen. Und bei diversen Rooftop-Bars muss man reservieren, da man spontan keine Chance hat, Einlass zu erhalten, um überteuerte Cocktails zu schlürfen. Und wie hyp richtig schreibt, die LV-Aktien steigen und steigen und steigen. Luxusgüter laufen definitiv. Selbst Fastfood-Tempel sind voll, wie etwa einer der europaweit umsatzstärksten Filialen hier am Stachus und billig ist das schon lange nicht mehr:
Kurzum, also, Geld wird nach wie vor ausgegeben, auch wenn 'alle sparen'?
 
Geschrieben von: SpeedyJ (Usernummer # 984) an :
 
@chris: stimmt, das clubsterben, welches jetzt in berlin bejammert wird, fand in anderen landesteilen schon vor 10-20 jahren statt. in bawü bspw. gab es damals selbst in kleinstädten clubs, in denen regelmäßig internationale dj-größen auftraten - heute undenkbar, jetzt ist man froh, wenn sich in der landeshauptstadt mal ab und zu jemand bekanntes blicken lässt (in den gerade mal 3-4 nennenswerten techno-clubs, die es in stuttgart gibt).
corona und inflation waren da sicher ein beschleuniger, aber ich seh das eher als teil einer entwicklung, welche schon vor jahrzehnten ihren anfang hatte und über die musik hinaus geht:
der einzelhandel stirbt, weil die leute lieber im großen online-versand bestellen; kleinstadt-kinos sterben, weil die leute bereit sind, längere strecken in kauf zu nehmen, um sich ihre blockbuster auf einer großen multiplex-leinwand anzuschauen; clubs sterben, weil die leute lieber festivals besuchen; kleine festivals sterben, weil die leute lieber die noch größeren festivals besuchen etc.
 
Geschrieben von: Hyp Nom (Usernummer # 1941) an :
 
hier im norden überwiegt aus meiner sicht bei weitem das positive. in und um kiel hat techno auf voller linie gewonnen. alles, was im alternativen/studentischen umfeld mit DJ ist, bedeutet techno/house, und allgemein ist es jenseits von chartsmusik der dominierende sound.

anfang der 90er war es in der schul-clique eine nachricht, wenn auf der kieler woche, nordeuropas größtem volksfest, irgendwo ein stück mit elektronischen sounds lief oder gar eine band ein keyboard hatte. heute läuft dort auf drei bühnen 10 tage durchgehend nur club-techno/house, separat davon bühnen für EDM. (mich zieht's dann wiederum gern zur reggaeton/moombahton-bühne, wo die musik auch elektronisch ist, aber mal was anderes und am sommerlichsten (und die luft duftet dort am aromatischsten).)

jenseits dieses groß-spektakels bespielen diverse kollektive clubs und machen open airs.
kleine festivals gibt es mehr denn je, kosten aber auch bei ehrenamtlicher organisation häufig über 100 € hier.

in Wien, wo ich gerade bin, scheint das angebot so groß, dass selbst partys in zentraler öffentlichkeit mit solidem sound kaum wahrgenommen werden. gestern abend gab's an zwei seiten des großen karlsplatz' open air-partys mit knackigem (teils acid-) house, die eine für lau, die andere (vor einem club) zwar nicht gratis, aber so laut, dass sie den halben platz beschallte. auf der party für lau (mit relativ aufwendigem licht und eigenem VJ dafür) kein einziger auf der tanzfläche zwei stunden vor schluss, auf der anderen vielleicht 5.
wiederum später eine ecke weiter bei freiem eintritt im großen O-Klub mit 3 floors techno/house (und einem vierten mit anderem sound) einiges los, wie auch in undergroundigeren clubs wie donautechno (so heißt der) und flucc.


und zum kino auch was leicht positives:
"die (Zahl) der (Kino-)Standorte ist 2023 um 0,9 Prozent und die der Spielstätten um 0,8 Prozent gestiegen" [Wink]

www.ffa.de/pressemitteilungen-detailseite/das-kinojahr-2023-ffa-legt-kinobilanz-fuer-2023-vor.html
 
Geschrieben von: MrFonktrain (Usernummer # 1460) an :
 
Ich konnte die Macher Uli und Stoffel während Corona ja mal persönlich kennenlernen. Ich drücke es mal vorsichtig aus, um nichts Privates auszuplaudern: Sie waren weder mit anderthalb Jahren Clubschließung ganz einverstanden, noch damit wie die Berliner Clubcommission das lokal durchgedrückt hat, noch sind die mit der Politisierung der Szene durch den verlängerten Arm des Senats komplett d'accord gewesen. Weiß nicht ob das in dem Interview steht, aber während Corona wurde einfach mal stumpf die Miete verdoppelt. Irgendwann ist dann halt Sense... Auf jeden Fall zwei respektable Clubmacher, die immer alles für den Laden gegeben haben, und ihre Stammgäste immer super behandelt haben.

In Berlin haben sich die Clubs, v.a. über die letzten 10 Jahre, zu Institutionen entwickelt, die nicht mehr Gegenkultur verkörpern, sondern Geldmaschinen die am Touri-Tropf hängen. Eine eigene Club-Biosphäre aus Bookingagentur, Label und treuer Stammkundschaft haben viele aufgebaut, aber über die Jahre oft vergrault und spätestens durch die Coronamaßnahmen mit dem Arsch wieder eingerissen. (Klar, meine eigene, private Schwurbel-Sichtweise...) Als die Touris ausblieben hat man sich auf Gedeih und Verderb der Berliner Politik angebiedert. Aber was hatte man auch für eine Wahl? "Friss oder stirb!" Viele CLubs haben sich sogar schon vorher sehr deutlich politisch grün/links positioniert. War ja für die meisten kein Schaden, da die meisten Gäste ja auch aus der Ecke kamen. Nachhaltig und sozial klug war das aber wohl eher nicht. Früher hat die Clubszene doch gerade das Offene ausgemacht. jeder durfte mitmachen, egal ob Banker, Punk oder Fußballhooligan - solange einige Basisregeln eingehalten wurden. Vielleicht ist es aber auch naiv, in unseren polarisierenden Zeiten so eine offenheit immer noch erwarten zu wollen. Na, so oder so, heute ist die Hälfte der politisch organisierten Clubs ohne Geld vom Land Berlin nicht mehr überlebensfähig. Ich finde das komplett scheiße, um's mal deutlich zu sagen. Clubs sollten nicht mit der Politik ins Bett gehen. Egal mit welcher Partei.

Lange Rede kurzer Sinn, das watergate hatte seine beste Zeit definitiv hinter sich, Friede seiner Asche! Ich erinnere mich noch an meinen ersten (Nicht-)Besuch 2009, als wir uns dank König Alkohol mit einer Truppe Youngsters verbrüdert hatten, mit denen aber nicht reinkamen, weil die falschen Ausweise auf 20 ausgestellt waren, watergate schon damals aber erst ab 21 war. Wir sind dann einfach kurz entschlossen in die panoramabar, und haben es keine Sekunde bereut.

Meine schönste watergate party habe ich mit Omar S erlebt, auch wenn es wirklich fucking laut war. Und 2018 habe ich mich mal sturzbesoffen von einer angeblichen Verwandten des Propheten Mohammed abschleppen lassen, insch' Allah!

Die unschlagbare location wird schon fehlen in der Berliner Clublandschaft, keine Frage!!
 
Geschrieben von: Hyp Nom (Usernummer # 1941) an :
 
[REWIND2024]: Ist das Ritual der Clubnacht noch zeitgemäß?

... Das Versprechen, dass nach den entbehrungsreichen Pandemiejahren alles wieder so wird wie vorher, blieb schmerzhaft uneingelöst.
... Clubs geht es schlecht, auch ganz ohne die anlasslose Verdopplung von Mieten.

Als wären die rein existenziellen Krisen nicht schon genug, befindet sich die Clubkultur seit dem 7. Oktober des Vorjahres in ideologisch zermürbenden Prozessen. ... Ganze Partyreihen sollten weggecancelt werden, weil sie sich dem Gesinnungsdruck aus der Anonymität heraus nicht beugten.

...Es wurde weniger miteinander, sondern mehr übereinander gesprochen, auch begünstigt durch, na klar, mittels eifrigem Social-Media-Aktivismus zur Schau gestellte Solidarität und die damit verbundene Blasenbildung.


https://groove.de/2024/12/12/rewind2024-ist-das-ritual-der-clubnacht-noch-zeitgemaess


[REWIND 2024]: Gibt es keine Solidarität in der Clubkultur?

... Es gebe einen Widerspruch zwischen den Werten, die nach außen hin präsentiert werden. Und dem tatsächlichen Handeln innerhalb der Szene.

„Man wird als Störfaktor wahrgenommen, wenn man sagt, wie es ist. Eben weil sich alle schon für irgendwas solidarisiert haben und glauben, mit ihrer Story einen Beitrag für eine gerechtere Zukunft getan zu haben.”

„Viele vertauschen Solidarität mit Sendungsbewusstsein.” Das sei reine Selbstdarstellung und habe mit Solidarität so viel zu tun „wie Darmwind auf dem Dancefloor: Sie vergiftet das Klima und erzeugt Druck, sich andauernd äußern zu müssen.”

„Zwischen Tourplan und Morgenroutine postet man politische Statements. Je nachdem, in welche Richtung die Fahne weht, von der man sich Gewinn erhofft. Weil, so Thomas weiter: „Gewinnen wollen alle. Das geht aber nur, wenn du das Spiel spielst. Und dieses Spiel lässt keine echte Solidarität zu.”


https://groove.de/2024/12/11/rewind-2024-gibt-es-keine-solidaritaet-in-der-clubkultur
 
Geschrieben von: MrFonktrain (Usernummer # 1460) an :
 
Zitat:
Ursprünglich geschrieben von: Hyp Nom:
[REWIND2024]: Ist das Ritual der Clubnacht noch zeitgemäß?

„Viele vertauschen Solidarität mit Sendungsbewusstsein.” Das sei reine Selbstdarstellung und habe mit Solidarität so viel zu tun „wie Darmwind auf dem Dancefloor: Sie vergiftet das Klima und erzeugt Druck, sich andauernd äußern zu müssen.”

„Zwischen Tourplan und Morgenroutine postet man politische Statements. Je nachdem, in welche Richtung die Fahne weht, von der man sich Gewinn erhofft. Weil, so Thomas weiter: „Gewinnen wollen alle. Das geht aber nur, wenn du das Spiel spielst. Und dieses Spiel lässt keine echte Solidarität zu.”


https://groove.de/2024/12/11/rewind-2024-gibt-es-keine-solidaritaet-in-der-clubkultur

...schön aufgespießt, danke!

Es geht bei dem Aktivismus in der Szene gar nicht um Solidarität, oder überhaupt darum, Notleidenden zu helfen. Sondern nur um likes und - pardon my french - Egogewichse.

Mit diesen narzisstischen Dauerkapriolen hat man die Clubkultur nachhaltig geschädigt, wenn nicht gar zerstört. Mit "man" meine ich sowohl die Plattformen die solches Verhalten begünstigen, als auch die dortigen Poweruser.

Oder ist letztlich doch primär kapitalistische Verwertungslogik schuld?
 
Geschrieben von: Maksim (Usernummer # 1382) an :
 
Kerry Chandler 8-Stunden DJ-Sessions mit Live-Einlagen waren im Watergate absolut unschlagbar!
 
Geschrieben von: Hyp Nom (Usernummer # 1941) an :
 
Zum Jahresende schließt mit dem IfZ Leipzig einer der einflussreichsten deutschen Clubs des letzten Jahrzehnts.

...„Wäre der 7. Oktober nicht gekommen, hätten wir das halbwegs gut hingekriegt”, ist Xavi überzeugt: „Aber der hat wirklich jede zarte Bande und jedes Netzwerk, das man aufgebaut hat, zunichte gemacht. Die Positionen haben sich getrennt, wo man vorher noch versucht hatte, Gemeinsamkeiten zu finden.”

„Es ist nicht nur im Clubkontext so, sondern allgemein in den ganzen linken Szenen”, findet Toni: „Niemand redet mehr miteinander, alle warten nur noch darauf, dass die andere Seite einen Fehltritt macht und man dann auf sie losgehen und sie zerfleischen kann.”

...Nicht nur die musikalischen Vorlieben, auch das Feierverhalten hat sich bei der jüngeren Generation verändert. Durch die pandemiebedingte Lücke von ein, zwei Jahren habe sich diese das Feiern eher angelernt, anstatt wie früher durch Ältere an das Feiern und die damit einhergehenden „Feiermanieren” herangeführt zu werden, sagt Toni: „Ich glaube, das hat viel Unsicherheit mit reingebracht.” Zusammen mit dem Mainstream-Hype um Techno und kinky Feiern führe das dazu, dass der Gang in den Club für viele Jüngere ein Sprung ins kalte Wasser sei. „Die kommen deshalb zu schnell an und gehen über ihre Grenzen.” Und das bedeute mehr Probleme, die von den Menschen in Security- und Awareness-Strukturen gelöst werden müssten.

... Dabei war in den Corona-Jahren nicht nur die Schließung ein Problem, sondern auch die vielen Konzepte, die für die Durchführung eines sicheren Betriebs verlangt wurden. „Viele der Mitarbeitenden wurden in dieser Zeit einfach verbrannt”, sagt Neele. Und Arthur erzählt: „Nach Covid war mehr als die Hälfte des Personals weg.” Lücken im Wissenstransfer und Generationenkonflikte seien mit so vielen neuen Mitarbeitenden vorprogrammiert gewesen.

... Man habe damals fünf- bis sechsstellige Beträge in diese [Corona-]Maßnahmen gesteckt. „Und das waren Investitionen, die wir sonst in den besten Jahren nicht gemacht hätten.”


https://groove.de/2024/12/25/ifz-leipzig-egal-wie-viel-scheisse-passiert-ist-wir-wuerden-es-auf-jeden-fall-wieder-machen
 



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